Bundesregierung einig: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden

Das Bundeskabinett hat die Novelle des Klimaschutzgesetzes befürwortet. Treibhausgas-Emissionen sollen bis 2030 um 65 Prozent sinken.

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(Bild: nicostock/Shutterstock.com)

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Deutschland muss in den kommenden Jahren deutlich mehr CO2 und andere klimaschädliche Gase einsparen als zunächst geplant. Darauf hat sich das Bundeskabinett am Mittwoch mit einem Entwurf zur Reform des Klimaschutzgesetzes verständigt. Die Bundesrepublik soll demnach bis 2045 klimaneutral werden. Bislang sollten die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf netto null sinken. Den Weg dahin will die Bundesregierung mit verbindlichen Zielen für die 20er- und 30er-Jahre pflastern.

Das Zwischenziel für 2030 wird laut dem Entwurf, der nun in den Bundestag und den Bundesrat geht, von derzeit 55 auf 65 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt die neue Vorgabe von 88 Prozent Minus. Zusätzlich hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm angekündigt, mit dem sie die Umsetzung der neuen Klimaschutzziele für die verschiedenen Sektoren unterstützen will. Dies soll mit zusätzlicher Förderung im Umfang von bis zu 8 Milliarden Euro geschehen.

Vorgesehen sind aber auch zusätzlichen Vorgaben. So will die Exekutive etwa die Energiestandards für Neubauten stärken. Die Kosten des neu eingeführten CO2-Preises sollen künftig nicht mehr allein von den Mietern, sondern zur Hälfte auch von den Vermietern getragen werden. Davon erhofft sich die Regierung eine bessere Wirkung des Instruments, da Vermieter über energetische Sanierungen und die Art der Heizung entscheiden. SPD und Grüne hatten sich zuvor für eine Entlastung von Mietern ausgesprochen, CDU und CSU waren dagegen.

Die Initiative ist zudem verknüpft mit einem Investitionspakt mit der Industrie für "klimafreundliche Produktion in Deutschland". Der Einsatz von grünem Wasserstoff zur Energiegewinnung soll gefördert, das Potenzial natürlicher CO2-Senken wie Wälder und Moore stärker genutzt werden. Außerdem will die Regierung prüfen, ob zur Finanzierung eines Teils der Vorhaben klimaschädliche Subventionen wegfallen können.

Mit dem Paket reagiert die Exekutive auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz von Ende April. Demnach müssen die Klimaschutzanstrengungen bis 2045 fairer zwischen den jetzigen und künftigen Generationen verteilt werden. Von einer Verschärfung der Klimaziele könne keine Rede sein, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Es gehe vielmehr "um die Entschärfung der Klimakrise" und darum, "wie wir künftig leben, produzieren, heizen und uns fortbewegen wollen".

Den Löwenanteil der zusätzlichen CO2-Einsparungen bis 2030 sollen dem Plan nach die Energiewirtschaft und die Industrie übernehmen. Dort seien "die Vermeidungskosten am geringsten", erläutert die Regierung diesen Ansatz. Zudem seien diese Sektoren weiterhin die mit den höchsten Emissionen. Zugleich werde das neue höhere EU-Klimaziel für 2030 mit einem 55-Prozent-Reduktionsziel berücksichtigt.

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Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forderte in der ARD, der vom Kabinett auf den Weg gebrachte Rahmen müsse noch mit konkreten Maßnahmen gefüllt werden. Ziel müsse es etwa sein, den Ausbau von erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln: "Es braucht deutschlandweit ein Flächenziel von 2 Prozent der Landesfläche für Windkraft, damit wir die Klimaziele überhaupt erreichen können. Das ist die Große Koalition schuldig geblieben." Nötig sei ferner ein spezielles Investitionsprogramm.

"Klimaschutz entsteht nicht durch Ziele, sondern durch Investitionen", betonte auch die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae. "Das muss nun zwingend folgen." Aktuell klemme es überall: "Investitionen in den Ausbau der Windenergie an Land stocken, weil Flächen fehlen und Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern. Wir brauchen außerdem Strategien für einen echten Photovoltaik-Boom."

Zu den ungelösten Problemen gehört laut Andreae neben einem beschleunigten Netzausbau auch, wie Kohlekapazitäten durch regelbare CO2-arme Erzeugungskapazitäten auf der Basis zunächst von Gas und künftig von Wasserstoff ersetzt werden könnten. Ohne zusätzliche CO2-Einsparungen auch in den Sektoren Verkehr und Gebäude sowie auch in Landwirtschaft bleibe der Weg Richtung Klimaneutralität versperrt. Die Initiative Fridays for Future twitterte: Um die 1,5-Grad-Grenze aus den Pariser Verträgen einzuhalten, sei es nötig, in 15 Jahren auf null zu kommen bei dem Emissionen – mit sofortigen Maßnahmen. Der Kampf für eine klimagerechte Zukunft gehe also weiter: "Wir sehen uns beim Streik!"

(mho)