Patentreform: Bundestag legt Patent-Trollen Steinchen in den Weg

Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch, der laut Kritikern Existenzen vernichten kann, wird bei ungerechtfertigter Härte in Einzelfällen eingeschränkt.

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(Bild: Feng Yu/Shutterstock.com)

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Der Bundestag hat in der Nacht von Donnerstag auf Freitag den umstrittenen Gesetzentwurf "zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts" beschlossen. Er will damit das scharfe Schwert des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein wenig einschränken. Für die Initiative stimmten die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD. Die gesamte Opposition war dagegen.

Derzeit können bei Patentverletzungen Betroffene gegen den Verursacher Unterlassung beanspruchen. Dies führt teils dazu, dass ein angeblich patentverletzendes Produkt mehrere Jahre lang vom Markt genommen werden muss. Im Mittelstand ist von einem "existenzvernichtenden Potenzial" solcher Klagen die Rede. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall Wärmetauscher von 2016 gilt zwar prinzipiell schon, dass eine gerichtliche Verfügung nicht ergehen darf, wenn sie eine "unverhältnismäßige Härte" darstellen würde. Die Abgeordneten wollen nun aber dafür sorgen, dass dieses bislang selten genutzte Korrektiv mit der Option zu Verhältnismäßigkeitserwägungen auch in der gerichtlichen Praxis hinreichend zum Tragen kommt.

Der erweiterte Paragraf 139 Patentgesetz sieht daher nun vor, dass der Unterlassungsanspruch "aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben" ausgeschlossen ist, soweit seine Inanspruchnahme für den Verletzten oder Dritte "zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde". Zum Ausgleich ist dem in seinem Verwertungsrecht Verletzten aber ein angemessener Geldausgleich zu gewähren. Erhalten bleibt auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch.

Die Große Koalition änderte den Passus noch so ab, dass er fast wörtlich die BGH-Rechtsprechung wiedergibt. Es habe eine Gesamtabwägung zu erfolgen, "die auch die berechtigten Interessen des Patentinhabers mit einbezieht". Schwarz-Rot endet so in etwa wieder bei der Version eines frühen Diskussionspapiers, während der Regierungs- und vor allem der Referentenentwurf Unterlassungsansprüchen klarer einen Riegel vorgeschoben hätten.

Der Patent-Blogger Florian Müller spricht daher von einem "katastrophalen Gesetz". Dieses werde Betroffenen etwa in der Automobil- und Elektronikindustrie nicht helfen: "Was für ein Versagen. Und was für eine Verschwendung." In den Blick geriet das Instrument der Unterlassungsansprüche jüngst etwa aufgrund des Patentstreits zwischen Nokia und Daimler über Funkeinrichtungen, die in Telematik-Einheiten verbaut sind. Kritiker hatten hier befürchtet, dass aufgrund eines neuen, umfassenden "Patentkriegs" im Automobilsektor die Fließbänder bei dem Autokonzern stillstehen könnten.

Auch der Fall Broadcom vs. VW sorgte wiederholt für Schlagzeilen. Daimler hat sich inzwischen mit Nokia auf ein Lizenzabkommen geeinigt, Volkswagen ließ sich auf einen teuren Vergleich ein. Eine dauerhafte Versagung des Unterlassungsanspruchs wegen unverhältnismäßiger Belastung des Schuldners wird nach Einschätzung der Bundesregierung nur in sehr wenigen besonders gelagerten extremen Fallkonstellationen in Betracht kommen. Es bleibe zudem bei der Ansage, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu einer "Entwertung des Patentrechts" führen dürfe: "Ein weiterhin starker Unterlassungsanspruch ist für die Durchsetzung von Patenten für die deutsche Industrie unverzichtbar."

Auch das Prozessrecht wird geändert: Verletzungsverfahren vor den Zivilgerichten und Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht sollen besser synchronisiert und teils gestrafft werden. Derzeit braucht es oft mehr als zwei Jahre, um einen wackeligen befristeten Monopolanspruch zu Fall zu bringen. Verletzungsklagen lassen sich schneller durchziehen. So wird häufig eine Unterlassungsverfügung erteilt, bevor über die Wirksamkeit des betreffenden Patents entschieden ist. Strafverfahren sind auszusetzen, wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren läuft.

"Aus Sorge vor einem Produktionsstopp, der mit einem Unterlassungsanspruch erwirkt werden könnte, zahlen die Unternehmen häufig horrende Summen an die Patent-Trolle", hatte der SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner die Einigung mit dem Koalitionspartner begrüßt. "Für diese missbräuchliche Verwendung ist der Patentschutz nicht da."

Sein Kollege von CDU/CSU, Jan-Marco Luczak, unterstrich: "Das hohe patentrechtliche Schutzniveau mit einem robusten Unterlassungsanspruch" bleibe erhalten. "Weitergehende Forderungen nach Zwangslizenzen oder pauschalen Ausnahmen vom Patentschutz haben wir im parlamentarischen Verfahren abgewendet." Die FDP-Fraktion drängte mit einem Entschließungsantrag darauf, dass das Patentamt auf Antrag prüfen sollte, ob eine Anmeldung zum gewerblichen Rechtsschutz den gesetzlichen Erfordernissen genügt und der Gegenstand der Anmeldung patentfähig ist. Sie fand dafür aber keine Mehrheit.

(kbe)