Gutes Reich, schlechtes Reich

Viel Ehre, viel Tod – bis heute. Weltkriegs-Denkmal in Radebeul-Kötzschenbroda. Bild: Thomas8122, CC0

Der Telepolis-Wochenrückblick mit Ausblick

Liebe Leserinnen und Leser,

"Kameraden", "Helden", "Ehre" – solche ideologischen Kampfbegriffe der rechtsextremen Szene sorgen immer wieder für Aufregung, wenn sie auf Demonstrationen skandiert werden oder auf Transparenten und Fahnen zu lesen sind. Zuletzt sorgten verschiedene Varianten von schwarz-weiß-roten Reichsfahnen bei Protesten von Gegnern der Pandemie-Maßnahmen für Kritik.

Nun plant das Bundesinnenministerium das Verbot der Fahnen per Mustererlass für Polizei und Ordnungsbehörden. Die Entscheidung folgt Jahre, nachdem die Bundeswehr den Spruch "Ehre um Ehre" des Deutschen Heeres und der Wehrmacht im internen Gebrauch untersagte.

Dennoch finden sich in der gesamten Bundesrepublik teils martialische Denkmäler, die ebendiese Erinnerungskultur pflegen – und mit Steuergeldern erhalten werden. In fast jeder Stadt und in vielen Dörfern erinnern steinerne Monumente an die "Helden" und ihre "Treue", mitunter "bin in den Tod". Einige lokale Initiativen setzen Ergänzungen durch - aufrufe für den Frieden etwa – eine bundeseinheitliche Korrektur, dass es sich bei den "Helden" um Opfer handelte, gab und gibt es nicht.

Während selbst die elfte Feuerbachthese von Karl Marx im Foyer der Berliner Humboldt-Universität mit dem Hinweis auf die Anbringung durch dir SED ergänzt wurde, bleibt die Kriegsideologie des wilhelminischen Regimes so vielerorts unkommentiert stehen.

Weil der Blick auf die Vergangenheit unmittelbar etwas mit dem Konzept der Gegenwart und der Vision der Zukunft zu tun hat, werden wir uns bei Telepolis diese Woche mit der Debatte befassen.

Geopolitisch bestimmte in der vergangenen Woche vor allem der Blick auf China die Schlagzeilen. Telepolis widmete sich dem Thema aus Anlass der Präsentation des Friedensgutachtens 2021. Das zentrale Kapitel darin geht auf die Rolle Chinas in der Welt ein und diskutiert das Verhältnis der EU zu Beijing und Washington.

Im begleitenden Telepolis-Interview sagte der Sinologe und Friedensforscher Pascal Abb: "In einem neuen Kalten Krieg mit China befinden wir uns noch nicht, und so schlimm wird es angesichts der bestehenden, vielfältigen Beziehungen zu China hoffentlich auch nicht kommen."

Kritische Debatte um Corona-Politik beginnt

Mit sinkenden Inzidenzzahlen und fortschreitenden Öffnungen beginnt auch die Debatte um die Bilanz von eineinhalb Jahren Pandemiepolitik, die von Telepolis von Beginn an kritisch hinterfragt wurde – kritischer mitunter, als von vielen anderen Redaktionen. Nun bestätigt der Bundesrechnungshof diese Kritik im Fall der angeblichen Überlastung der Intensivstationen.

Der Bundesrechnungshof beanstandete, so schrieb Telepolis-Redakteur Thomas Pany, dass die Kliniken 2020 schon von den gesetzlichen Krankenkassen 1,3 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor bekommen hatten, "obwohl die Betten um knapp acht Prozent weniger ausgelastet gewesen seien als 2019". Dazu kamen noch 10,2 Milliarden Euro Ausgleichszahlungen aus Steuermitteln, weil wegen der Pandemie Eingriffe verschoben oder ausgesetzt wurden.

Zugleich äußerte das Robert-Koch-Institut, die "Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren". Abgerufen jedenfalls wurden 700 Millionen Euro Staatshilfe für zusätzliche Intensivbetten. Die rechnerisch fast 14.000 Patientenplätze sind in den Statistiken aber nie aufgetaucht. Die Suche läuft weiter, Telepolis bleibt dran.

Auch bei den Grünen läuft eine Suche. Dort fragt man sich nach einer Reihe von Kommunikationspannen uns Fauxpas, wo das Umfragehoch der letzten Wochen und Monate geblieben ist. Die persönliche Glaubwürdigkeit von Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sieht die Bundestagsfraktionschefin ihrer Partei, Katrin Göring-Eckardt, im Gegensatz zu manchen Medien auch nicht durch einen suggestiv aufgehübschten Lebenslauf beschädigt. Fehler seien menschlich, erklärte Göring-Eckardt.

Die Wählerschaft, auf die es letztlich blöderweise ankommt, ist da weniger gnädig. Ganze zwölf Prozentpunkte verlor Baerbock in einer Infratest-dimap-Umfrage für die ARD gegenüber Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD).

Grünen, Belarus, Rente und abgelehnte Presseratsbeschwerden gegen Telepolis

Die Auswertung des Grünen-Parteitags am Wochenende wird uns bei Telepolis auch diese Woche beschäftigen. Nach einer ersten Bilanz von Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin heute werden unsere Autoren Wolfgang Pomrehn und Peter Nowak Einschätzungen zum Kurs der Grünen liefern.

Weiterhin wird in dieser Woche der Umgang mit dem in Belarus inhaftierten Blogger und Aktivisten Roman Protassewitsch eine Rolle spielen. Telepolis-Autor Hannes Sies kommentiert seinen Fall im Vergleich mit dem in Großbritannien inhaftierten Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks.

Reiner Heyse wirft den Blick auf die ZDF-Sendung Am Ende arm dran, deren Dokumentationsstil er lobt, die er aber inhaltlich kritisiert. Verbreitet worden sei das ewige Lamento neoliberale Apologeten, die Jugend müsse eine immer höhere Rentenlast tragen. Heyse rechnete auf Basis der Zahlen der Deutschen Rentenversicherung nach und kommt zu einem anderen Urteil.

Am Ende - wie in den bisherigen Wochenkolumnen - die Telepolis-Hausmitteilung. In engem Kontakt standen wir in den vergangenen Wochen mit dem Deutschen Presserat. Beide Lager im Corona-Streit – Verteidiger und Kritiker der Regierungspolitik – haben bei dem Kontrollgremium Beschwerden gegen unsere Berichterstattung eingelegt. Geprüft wurde auf eine solche Kritik hin auch ein pointierter Beitrag zum Sturm auf das Kapitol in Washington. In zwei der Beschwerden sah der Deutsche Presserat "keinen Verstoß" gegen den Pressekodex.

Gemeinhin bekommen wir diese Beschwerden gar nicht mit, sondern den Negativbescheid in Kopie zugestellt. In einem Fall aber haben wir - auch da ging es um die Pandemiepolitik – eine Stellungnahme abgegeben. Unabhängig vom Ergebnis werden wir Sie über Ausgang und Inhalt informieren.

Bis dahin, bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Harald Neuber