Biden warnt vor "schädlichen Aktivitäten Russlands"

Joe Biden. Bild: U.S. Embassy Jerusalem, CC BY 2.0

Vor dem Treffen der beiden Präsidenten schlägt der US-Präsident einen konfrontativen Ton an. Was ist vom Gipfel zu erwarten?

Am morgigen Mittwoch treffen die Präsidenten der USA und Russlands in Genf zur Ortszeit 13 Uhr aufeinander. Ein Abschlussprotokoll wird bereits vorbereitet, hat es aber mit Schwierigkeiten zu tun. Als gewiss gilt schon, dass es am Ende keine gemeinsame Pressekonferenz zwischen Biden und Putin geben wird.

Die Themenliste ist lang und differiert in verschiedenen Vorab-Berichten. Es ist davon auszugehen, dass die Situation in der Ukraine, "strategische Sicherheit", neue Waffen und Rüstungskontrolle, der Umgang mit Nawalny und die Lage im Nahen Osten - besonders in Syrien - wie auch in Libyen angesprochen werden sowie die Menschenrechte, wie dies von Nachrichtenagenturen und großen Medien erwähnt wird. Auch die Corona-Krise und der Kampf gegen Cyber-Kriminalität werden genannt.

US-Präsident Biden wird heute damit zitiert, dass er "keinen Konflikt mit Russland" suche, aber doch rote Linien ziehe:

Aber wir werden antworten, wenn Russland seine schädlichen Aktivitäten fortsetzt.

Joe Biden

Da schwingt unüberhörbar ein konfrontativer Ton mit. Er ist für die große Öffentlichkeit, für die Medien bestimmt. Was zwischen den beiden Führern der geopolitischen und militärischen Großmächte besprochen wird, ist einmal Hinterzimmerpolitik, bei der die Delegationen versuchen, aus Absprachen der beiden Präsidenten konkretere Abmachungen für Konfliktfelder oder auch für den Gefangenenaustausch auszuarbeiten. Zum anderen ist das Treffen auf öffentliche Kommunikation ausgerichtet.

Die hat mehrere Ebenen, wie Biden in den vergangenen Monaten vorführte. Er bezeichnete Putin als "Killer" und "seelenlos", beides wurde von Medien herausgestrichen und zu einem eigenen Theaterzwischenspiel gemacht. Putin reagierte nicht in gleicher Weise.

Für das Genfer Treffen zwischen Putin und Biden setzte der Nato-Gipfel, der soeben in Brüssel zu Ende ging, den geopolitischen Hintergrund (Nato, China und Russland: der Ton wird schärfer).

Nato: Russland als potenzieller Gegner; China als systemischer Rivale

Im Nato-Schlusskommuniqué wurde die Bedrohung durch China und Russland stärker als zuvor ins Zentrum der Nato-Ausrichtung gerückt. In der Zusammenfassung des Blogs Augen geradeaus: Russland als potenzieller Gegner ("Russlands aggressives Vorgehen stellt eine Bedrohung der euro-atlantischen Sicherheit dar") und China als systemischer Rivale ("Chinas erklärte Ambitionen und sein selbstbewusstes Verhalten stellen eine systemische Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung und für Bereiche dar, die für die Sicherheit der Allianz relevant sind").

Wobei, wie Äußerungen Merkels erkennen lassen, Russland als "besondere Herausforderung" auf die Bühne gestellt wurde:

Ich will einmal sagen: Heute ist in der Diskussion sehr klar herausgekommen, dass in der ganzen Herausforderung vor allen Dingen auch Russland eine große Herausforderung ist.

Angela Merkel

Aus der Rivalität und Konkurrenz zwischen den imperialen geopolitischen Mächten ergeben sich Strategien, die auch auf das Treffen zwischen Putin und Biden gemünzt werden. Bidens strategische Hauptabsicht könnte laut Analysten demnach darin bestehen, ein weiteres Zusammenrücken zwischen Russland und China zu verhindern.

Die Strategie bestünde darin Russland erst in eine isolierte Stellung zu treiben, nicht zuletzt über Öffentlichkeitspolitik, die Russland als Schurkenstaat zeichnet - militärisch aggressiv, äußerst repressiv im Umgang mit der politischen Opposition, autoritär, undemokratisch und menschenrechtsverletzend -, um daraus politisches Kapital zu schlagen, das dazu dient, das Interesse Russlands an einer Annäherung zu gewinnen.

Für ein derartiges strategisches Interesse sprechen, wie im Blog Moon of Alabama ausführlich dargelegt wird, einige Beobachtungen und Äußerungen. Für das Erreichen dies Ziels aber schon weniger, weil die Kluft zwischen den Interessen Russlands und den USA/Nato/Europa zu groß ist. Die Interessen widersprechen sich.

"Zombie-Politik" des US-EU-Nato-Blocks in der Ukraine

Deutlich wird das am Ukraine-Konflikt, auf den Biden mit seiner oben genannten Rote-Linien-Äußerung anspielte. Solange die USA als politische Führungsmacht dieses Blocks "völlig unrealistischen und irrationalen ukrainischen Positionen Rückendeckung gibt, werden diese und alle zukünftigen amerikanisch-russischen Diskussionen zu dieser Frage sinnlos sein", so der Russland-Experte Anatol Lieven für den US-Think Tank Responsible Statekraft, der sich als Stimme einer Politik der Zurückhaltung und Nicht-Einmischung versteht.

Mit Rückendeckung gemeint sind Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung sowie eine einseitig ausgerichtete politische Öffentlichkeitsarbeit, die Russlands als Aggressor schildert, ohne auf dessen Sicherheitsinteressen einzugehen, und eine ukrainische Führung, die rein defensiv agiert, ohne auf deren aggressive Äußerungen und Vorhaben einzugehen. Die USA betreiben in der Ukraine eine unrealistische Politik, so Lieven:

Der derzeitige Ansatz der USA ist ein klassisches Beispiel für eine Zombie-Politik: eine tote Politik, die herumläuft und vorgibt, lebendig zu sein, weil das Washingtoner Establishment nicht den Willen und den Mut aufbringen kann, sie zu begraben. Denn es besteht nicht die geringste Chance, dass diese Politik den Konflikt beendet, der Ukraine hilft, ihre verlorenen Gebiete zurückzugewinnen, oder der Ukraine den Beitritt zur NATO ermöglicht.

Aber wie jeder Kinobesucher weiß, können Zombies extrem gefährlich sein, und der Donbas-Konflikt stellt die bei weitem größte Gefahr eines neuen Krieges in Europa und einer neuen Krise in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland dar. Die Biden-Administration möchte die Spannungen mit Russland nicht eskalieren lassen, aber solange diese Streitigkeiten ungelöst bleiben, sind die Vereinigten Staaten eine Geisel der Entwicklungen vor Ort, die sie in neue und gefährliche Krisen hineinziehen könnten.

Anatol Lieven

Die Interessenskonflikte zwischen den USA und Russland beschränken sich nicht auf die Ukraine, der Umgang mit diesem "Problemfeld" ist aber exemplarisch für andere, die allesamt mit der unterschiedlichen Wahrnehmung von Bedrohungen zu tun haben und dem dazu gehörigen politischen wie auch militärischen Kapital (Warum Nato und EU der Ukraine nicht helfen werden). Auch zu den bewaffneten Konflikten in Syrien und Libyen vertreten Biden und Putin entgegengesetzte Haltungen. Das gegenseitige Vertrauen ist minimal.

Welche Art von Zusammenarbeit könnten die beiden Großmächte auf dieser Grundlage entwickeln?

"Ein nützliches Treffen"

Es gibt Skepsis auf russischer Seite: "Der Kreml sagte, er erwarte keine Durchbrüche vom Gipfel, da das Potenzial für Meinungsverschiedenheiten sehr groß sei. Es wird davon ausgegangen, dass Putin und Biden Fragen der strategischen Sicherheit, der Rüstungseindämmung, der Ukraine und Fragen der bilateralen Zusammenarbeit diskutieren werden", schätzt Radiosputnik die Lage ein.

Allerdings gibt sich der zum Beraterstab des russischen Präsidenten gehörende Juri Uschakow optimistisch. Er sagte, dass das Treffen nützlich sein werde.