Mikroben beseitigen Flecken von Medici-Mordopfer in Michelangelos Marmor

Eine vor fast 500 Jahren hastig bestattete Leiche hat Spuren in einem Grabmal von Michelangelo hinterlassen. Die Rettung: Bakterien aus verseuchtem Erdreich.

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Tod des Alessandro de’ Medici.

(Bild: Gemälde von Giuseppe Bellucci (Detail).)

Lesezeit: 3 Min.

Alessandro de’ Medici hatte ein kurzes, aber bewegtes Leben: 1530 wurde er mit gerade einmal 19 Jahren zum Stadtherren von Florenz ernannt – und nur sieben Jahre später von einem entfernten Vetter ermordet. Doch seine Spuren sind fast ein halbes Jahrtausend nach seinem Tod noch zu sehen: Flecken und Beulen auf einem von Michelangelo geschaffenem Grabmal – mit den allegorischen Figuren „Morgen“ und „Abend“.

Dort wurde Allessandro seinerzeit offenbar hastig bestattet, ohne dass seine inneren Organe entfernt wurden. Seine Körperflüssigkeiten und Phosphate drangen mit den Jahrhunderten in den Marmor ein und machten diesen unansehnlich. Um das Grabmal zu reinigen, setzten die Restauratoren nun, wie die "New York Times" berichtet, Bakterien ein.

Nach jahrelanger Reinigung erstrahlen die meisten Grabmale und Skulpturen in der Medici-Kapelle in Florenz wieder in ihrem ursprünglichen Weiß. Doch einige Flecken wollten einfach nicht verschwinden. Besonders unansehnlich war die Ruhestätte von Allessandro und seinem Vater Lorenzo di Piero de’ Medici, die im selben Sarg bestattet wurden.

Auf einem Biologie-Kongress 2016 erfuhren die Restauratoren davon, wie Bakterienstämme, die aus dem Abwasser einer Mine auf Sardinien isoliert wurden, unter anderem Rostflecken im Marmor einer römischen Galerie beseitigt hatten. Gemeinsam mit Biologen machten sie sich daran, die Möglichkeiten der Mikroben zur Reinigung von Kunstwerken systematischer zu erforschen.

Zunächst sichteten sie eine Sammlung von rund 1000 Stämmen, die normalerweise bei Öl-Unfällen oder zum Abbau von Schwermetallen verwendet werden. Acht davon setzten sie dann an nicht sichtbaren Marmorproben hinter dem Altar ein. Alle acht seien für Menschen ungefährlich, betonte Monica Bietti, die frühere Direktorin der Kapelle, gegenüber der "New York Times".

Dann nahmen die Restauratoren Bakterien des Stammes Pseudomonas stutzeri, das aus dem Abfall einer Gerberei nahe Neapel isoliert wurde, sowie einem Rhodococcus-Stamm aus einem dieselverseuchten Erdreich in Caserta, und setzten sie auf die Reste von Leim und Öl in den Ohren und Haaren von bei Michelangelos „Nacht“-Skulptur an. Anschließend bekam auch ihr Gesicht eine Schönheitspackung aus Bakterien-Gel. Das Vorhaben war ein Erfolg, sodass die Forscher ihre Bakterien auch anderswo zum Einsatz brachten – etwa, um ein großes Marmor-Relief im Petersdom von Wachs der Opferkerzen zu befreien.

Im Oktober 2020 schließlich machten sich SH7-Bakterien aus einem schwermetallverseuchtem Boden einer Mine auf Sardinien über den hartnäckigsten Fall her: Die fleckige Ruhestätte von Allessandro und seinem Vater Lorenzo. Dort fraßen die Bakterien gewissermaßen die Überreste Allessandros auf – oder zumindest seine in den Marmor eingedrungenen Phosphate. „Die Medicis waren eher gewohnt, am oberen Ende der Nahrungskette in Florenz zu sitzen“, kommentiert die "New York Times".

(grh)