Medienverbände stellen Strategie gegen Raubkopierer vor

Gutachten schlägt betroffenen Unternehmen, Strafverfolgern und Politikern Maßnahmen gegen Tausch-Börsianer vor.

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Medienunternehmerverbände wollen den Aktivitäten der Nutzer in Online-Tauschbörsen -- die vor allem die Musikindustrie trotz gegenteiliger Studien immer wieder für sinkende Einnahmen verantwortlich macht -- nicht länger zusehen. Sie suchen nach Wegen, Raubkopien im Reich der Bits den Garaus zu machen. Anhaltspunkte soll ein 200-seitiges Gutachten zur "Datenpiraterie im Internet" bieten, das der Deutsche Multimedia Verband (dmmv) gemeinsam mit dem Verband privater Rundfunk- und Telekommunikationsanbieter (VPRT) am heutigen Donnerstag am Rande des Medienforums 2002 in Berlin vorstellte.

Eine Gesamtstrategie zum Schutz digitaler Güter möchte die Studie betroffenen Unternehmen, Strafverfolgern und Politikern an die Hand geben. Gerade den Gesetzgeber sieht Ulrich Sieber, Rechtsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, als Verfasser des umfangreichen strafrechtlichen Teils schon "aus verfassungsrechtlichen Gründen" gefordert. Die Datenpiraterie sei für die Software-, Audio- und Videoindustrie "existenzbedrohend" und gefährde die Volkswirtschaft. Das würden die von Lobby-Gruppierungen wie der Business Software Alliance (BSA) oder der Internationalen Föderation der Phonographischen Industrie (IFPI) genannten Zahlen belegen.

Selbstschutzmaßnahmen der Wirtschaft wie der Einsatz von Kopierschutztechniken und DRM-Systemen greifen dem Gutachten nach zu kurz. Wie der Dresdener Informatikprofessor Andreas Pfitzmann mit Unterstützung der Forscher Hannes Federrath (FU Berlin) und Markus Kuhn (Cambridge) im ersten Teil ausführt, sind fast alle digitalen Inhalte "heute technisch katastrophal schlecht" vor unberechtigter Vervielfältigung geschützt. Die verfügbaren, meist in Software realisierten DRM-Systeme seien "systematisch unsicher". Bestehende und zukünftige Mechanismen in Hardware könnten einen besseren Schutz gewährleisten, Piraterie aber keinesfalls perfekt verhindern. Für den Massenmarkt geeignete Techniken stünden nicht zur Verfügung, so die Wissenschaftler im Widerspruch zur Lobbying-Strategie des IT-Branchenverbands Bitkom. Zudem stelle sich die Frage, warum Verbraucher Hardware mit Kopierblockade erwerben oder nutzen sollten.

Die Empfehlungen der Studie konzentrieren sich daher darauf, das öffentliche Angebot von nicht-lizenzierten Dateien im Netz zurückzudrängen. Noch ist umstritten, ob das Vervielfältigen der in Tauschbörsen angebotenen "Vorlagen", die Sieber im Großteil der Fälle für nicht mit den Regelungen zur Privatkopie vereinbar und so für rechtswidrig hält, strafbar ist. Sieber hält zwar nichts von der Kriminalisierung solchen Tuns, da es von den überlasteten Staatsdienern kaum verfolgt werden könnte. Dennoch sollte die private Kopie von rechtswidrig hergestellten Vorlagen durch die "Schaffung von wirksamen zivilrechtlichen Sanktionen" seiner Ansicht nach klar als ebenfalls rechtswidrig abgestempelt werden.

Damit Verbände und Vereinigungen der Rechteinhaber effektiv gegen die Tausch- und Kopierfreunde vorgehen können, sollen ihnen erweiterte "Auskunftsansprüche" gegenüber Internet-Providern zugesichert werden. Durch eine internationale Koordination des zivilrechtlichen Verfolgungsansatzes will Sieber garantieren, dass diese Schiene auch gegen die im Ausland aktiven Anbieter wirksam ist. Eine zweite Option, die Sieber aufzeigt, würde den Download von Dateien aus P2P-Netzwerken als rechtmäßig "freigeben" ? in Koppelung mit einer Vergütungspauschale auf PCs. Dagegen sträuben sich die Hardware-Hersteller und der Bitkom bislang.

Gegen das Knacken von Kopierschutzsystemen oder von Software-Aktivierungsdiensten bietet das Straf- und Wettbewerbsrecht bereits eine bessere Handhabe als gegen das Nutzen von Tauschbörsen. Die Regelungen in dem heftig diskutierten Regierungsentwurf für ein neues Urheberrechtsgesetz hält Sieber aber für verfehlt. Der angestrebte Schutz von Antikopier- und DRM-Systemen laufe ins Leere, da nur "gewerbsmäßiges" Handeln als Straftat definiert werde. (Stefan Krempl) (vza)