Die CSU wird grüner, ohne liberal zu werden

Markus Söder wäre der grünere Kanzlerkandidat der Union gewesen. Foto: Mueller /MSC /CC0 1.0

Law and Order, aber Kohleausstieg 2030? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder prescht in Sachen Klimaschutz am Kanzlerkandidaten der Union vorbei

Den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) trennen zwar grundrechtspolitisch Welten von Wahlberechtigten, die traditionell zu den Grünen neigen. Das zeigte zuletzt der Streit um das neue Polizeiaufgabengesetz, das am Dienstagabend im bayerischen Landtag beschlossen wurde - unter anderem die Grünen halten es in Teilen für verfassungswidrig, weil darin der Begriff der "drohenden Gefahr" als Legitimation für Grundrechtseingriffe zu schwammig definiert sei. Die Kritik wird von den Landtagsfraktionen der SPD und der FDP sowie von der bisher nicht im Landtag vertretenen Linkspartei geteilt. Söder ist das egal - in Law-and-Order-Fragen wird im Freistaat durchregiert, solange die CSU stärkste Kraft ist.

Das gilt in Bayern seit Jahrzehnten als selbstverständlich, könnte sich aber ändern, wenn sie die Zeichen der Zeit nicht erkennen würde: Eine Partei, die betont, dass für sie die Familie "im Zentrum" steht, riskiert auf die Dauer Sympathiepunkte, wenn sie es mit offener Ignoranz gegenüber den Zukunftsinteressen von Kindern und Jugendlichen versucht. Söder hat das begriffen und zeigt sich zumindest dann flexibel, wenn es darum geht, den Teil der Konservativen bei der Stange zu halten, die aus purer Verzweiflung zu den Grünen überlaufen könnten, weil für sie in Zeiten der Umwelt- und Klimakrise nicht das Bewahren einer "Leitkultur", sondern das Bewahren der "Schöpfung" im Vordergrund steht.

Kein offener Angriff, aber schlechte Noten für Laschet

Auf jeden Fall hätte er den grüneren Kanzlerkandidaten der Unionsparteien abgegeben - doch die haben sich bekanntlich für seinen Amtskollegen aus NRW, den CDU-Chef Armin Laschet entschieden, der von Umweltverbänden als "Schutzpatron der Kohleindustrie" bezeichnet wird.

Ohne Laschets Rolle in der Kohlekommission zu erwähnen, grenzte sich Söder in einer Regierungserklärung an diesem Mittwoch deutlich von deren Verhandlungsergebnis ab. Erst 2038 vollständig aus der Kohleverstromung auszusteigen, halte er "nicht nur für unambitioniert, sondern auch für marktwirtschaftlich sinnlos" sagte Söder, nachdem er mehrfach den Ernst der Lage unterstrichen hatte.

Mit Sätzen wie "Wer die Klimaveränderung leugnet, versündigt sich an der nächsten Generation", "Am Ende geht es tatsächlich um unseren Fußabdruck in der Geschichte" und "Wir müssen noch einen Zahn zulegen, sonst wird irgendwann der Point of no Return erreicht" entfernte er sich im Sekundentakt mehr und mehr von Laschet. Der Kanzlerkandidat hatte vor wenigen Tagen in einem WDR-Interview zur Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz gesagt: "Nur weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik" und war dann auch noch im Katastrophengebiet beim Lachen während einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ertappt worden.

Söder hält dagegen "an der Schwelle epochaler Veränderungen" den vollständigen Kohleausstieg bis 2030 für angemessen und versprach, sich nach der Bundestagswahl dafür einzusetzen, dass darüber neu verhandelt wird. Außerdem will er sich für eine Solarpflicht für Neubauten starkmachen - und Bayern soll bereits 2040 klimaneutral sein, während im gemeinsamen Wahlprogramm der Unionsparteien für ganz Deutschland von 2045 die Rede ist.