Wozu Raumfahrt?

Vielleicht doch kein Ort für "uns"? Im Weltall soll es gerüchteweise kalt und einsam sein. Bild: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Das Interesse an Schritten ins All ist so groß wie lange nicht. Was aber sind die Motive und Ziele dieser Ausflüge? Eine Diskursbesichtigung

Die Besatzung liegt im Kälteschlaf an Bord eines Raumfrachters, der Rohstoffe von einem fernen Abbauort irgendwo in den Tiefen des Alls zur Erde bringen soll. Ein Antriebssystem, das die Strecke per Überlichtgeschwindigkeit in arbeitnehmerfreundlicher Reisezeit bewältigen könnte, gibt es nicht. Also muss die siebenköpfige Crew für den ereignislosen Flug, auf dem sie keine Funktion hat, kryostatisch konserviert werden. Das ist er, der kommerzielle Raumfahreralltag als Fortsetzung terrestrisch-industrieller Praxis im Jahr 2122.

Was als finstere Tristesse beginnt, entwickelt sich rasch zum realen Albtraum. Denn durch eine verräterische List des Transportkonzerns gelangt ein Fremdorganismus auf das Schiff, der das Personal - mit Ausnahme des dritten Offiziers Ellen Ripley - der Reihe nach tötet.

Ridley Scotts Alien von 1979 spart nicht mit klaustrophobischen Reizen. Der Film sperrt den Zuschauer in die dämmrigen Eingeweide eines Raumschiffes, die eher wie eine Höhle jener fremden Killerspezies wirken denn als Lebensraum für Menschen. Es ist eine Weltraumfiktion von Einsamkeit und Verzweiflung in einem Universum, dessen unergründliche Weiten Feindseligkeit und Tod bereithalten. Hatten zuvor aufgeräumte Kommandobrücken und ritterliche Figuren das Science-Fiction-Kino geprägt, zieht nun eine blutige Dunkelversion über die Leinwand.

Zur Zeit seiner Erscheinung ist Alien ein irritierendes Kontrastwerk auch zu den allzu optimistischen Entwürfen humaner Zukünfte im All. Die darin aufgeworfenen Fragen - Was erwarten wir dort draußen eigentlich? Ist das überhaupt ein Ort für uns? - machen den Film zu einem pointierten Beispiel nicht für Ablehnung, aber doch für Skepsis gegenüber dem menschlichen Ausgriff ins All.

Wenige Jahre nach dem Ende des Apollo-Programms, in einer Phase der Raumfahrtgeschichte, an der Wendell Mendell, langjähriger Wissenschaftler im Dienste der NASA, rückblickend einen Mangel an ambitionierten Zielen und langfristiger Orientierung beklagte, bereichert Scott die astronautische Diskursordnung um eine fundamentale Kritik.

Innovationsschub für den Krieg

An distanzierenden Einlassungen und Zweifeln bis hin zu scharfen Missbilligungen fehlte es freilich auch in der euphorischen Hochzeit der ersten bemannten Mondflüge nicht. Zu den prominentesten deutschsprachigen Dokumenten einer schonungslosen Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck der Raumfahrt zählen die 1970 veröffentlichten Reflexionen über Weltraumflüge von Günther Anders.

Der Autor betont nicht nur die personelle und technische Kontinuität zwischen den Waffenlaboren des "Dritten Reiches" um Wernher von Braun und den späteren Raumflügen der NASA, sondern er sieht auch eine Beständigkeit der Motive: Während bei Entwicklung und Einsatz der ersten technisch ernstzunehmenden Raketen rein destruktive Absichten vorherrschend gewesen seien, handele es sich auch bei den Unternehmungen der späten 1960er Jahre letztlich um Testläufe für globale Vernichtungsaktionen. Und so sah er im Erfolg der ersten Mondmission "die Bürgschaft für die äußerste Verlässlichkeit der nun wirklich auf Tod abzielenden Kriegsmaschine, also letztlich die Bürgschaft für unseren Untergang."

Die eigentlichen Zwecke der Astronautik seien also weder wissenschaftlicher noch kommerzieller, sondern militärischer Art; als wahrer Kontext erscheint ein gigantisches bellizistisches Projekt, beklatscht von einer in "paranoiahaften Enthusiasmus" verfallenen Öffentlichkeit, die durch die Weltrauminszenierungen ihres Blickes für die wirklichen Existenzfragen, die politischen, sozialen und moralischen Probleme der Welt beraubt worden sei.

Als außerordentlich scharfer Kritiker schreibt Anders vor dem Hintergrund der globalen Systemkonkurrenz des Kalten Krieges und ihrer deprimierenden Drohkulissen. Dabei steht er mit der Einschätzung, die Raumfahrt führe statt zu neuen Ufern in die letzte Katastrophe, keinesfalls allein da. Man muss ihm - zumal im Abstand von fünf Jahrzehnten - nicht in jedem Punkt folgen. Was allerdings auch in der Zeit nach seinen Reflexionen noch vielfach hervorgehoben werden wird, ist der Umstand, dass der Sinn des Apollo-Programms sich in der Erstbesteigung eines Himmelkörpers erschöpft habe.

Die Triebkräfte dieser Phase seien - und zwar auf allen Seiten - vor allem politische Rivalität und nationale Wettbewerbsinteressen gewesen. Große Pläne darüber hinaus habe es nicht gegeben. Hinter den spektakulären Aufführungen mit riesenhaften Geschossen, Fußabdrücken, Flaggen und einstudierten Sätzen herrschte weitgehend Leere.