Mikrobiologie: Genug Sauerstoff auf der Erde womöglich erst dank längerer Tage

Wie der Anstieg des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre abgelaufen ist, ist nicht ganz klar. Womöglich hat die wachsende Tageslänge entscheidend geholfen.

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(Bild: IM_photo/Shutterstock.com)

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Erst die Verlangsamung der Erdrotation im Lauf der Erdgeschichte und die damit verbundenen länger werdenden Tage könnten es Bakterien ermöglicht haben, die für komplexes Leben nötige Menge an Sauerstoff zu bilden. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Judith Klatt vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in einer nun vorgestellten Studie. Darin stellen sie eine Verbindung her zwischen astrophysikalischen und mikrobiologischen Prozessen, die eine grundlegende Frage der Forschung klären könnte. Denn bislang sei nicht klar, wie genau es zum schrittweisen Anstieg des Sauerstoffgehalts der Erdatmosphäre kam und warum er so geschah, wie er es tat.

Wie die Forschenden nun erläutern, entstand beziehungsweise entsteht praktisch der gesamte Sauerstoff in unserer Atmosphäre durch Fotosynthese – also durch Sonnenlicht. Damit angefangen hätten Cyanobakterien, die schon vor mehr als 2,4 Milliarden Jahren entstanden sind. Obwohl es sie also bereits sehr lange gibt, habe es sehr lange gedauert, bis die Erde zu dem sauerstoffreichen Planeten geworden ist, als den wir sie kennen. Warum das so ist und welche Prozesse die Sauerstoffanreicherung wie beeinflusst haben, sei noch immer nicht ganz klar, erklärt Klatt. Die mögliche Antwort hat sie mit ihren Kollegen und Kolleginnen demnach am Boden des Huronsees in Nordamerika gefunden.

Dort leben vor allem Mikroorganismen unter Bedingungen, wie sie auch vor Milliarden Jahren auf der Erde geherrscht haben sollen. Zwei verschiedene Bakterienpopulationen produzieren dabei in einem komplexen Zusammenspiel Sauerstoff, darunter auch sauerstoffproduzierende Cyanobakterien durch Fotosynthese. Letztere haben dafür nur wenige Stunden Zeit, auch weil sich die richtigen Voraussetzungen erst im Tagesverlauf einstellen. Das habe sie auf die Idee gebracht, den Einfluss der Tageslänge auf die Ergiebigkeit zu erforschen. Denn intuitiv sei zwar anzunehmen, dass an zwei Tagen von 12 Stunden Länge genauso viel Sauerstoff produziert werden kann, wie an einem 24-stündigen. Aber weil die Freisetzung des Sauerstoffs begrenzt sei, sei das nicht der Fall, erklärt das Team nun im Fachmagazin Nature Geoscience.

Anhand dieser Entdeckung hätten sie die Entwicklung der Sauerstoffproduktion in Abhängigkeit von den länger werdenden Tagen simuliert. Dabei habe sich gezeigt, dass eine dadurch erhöhte Sauerstofffreisetzung tatsächlich den weltweiten Sauerstoffgehalt zum Ansteigen gebracht haben könnte. Vor allem die beiden großen Phasen der Sauerstoffanreicherung – die sogenannten Oxigenierungssereignisse – könnten deshalb damit zusammenhängen, dass die Anziehungskraft des Mondes und die Gezeiten die Tage haben länger werden lassen, meint das Team. Die hätten die Produktivität der Mikroben am Boden ausreichend angekurbelt, um den atmosphärischen Sauerstoffgehalt zu verändern. Die Erkenntnis könnte sich nun nicht nur auf das Verständnis der Erdgeschichte auswirken, sondern womöglich auch auf die Suche nach habitablen Exoplaneten.

(mho)