Missglücktes Andockmanöver: Modul Nauka hat ISS anderthalbmal gedreht

Nach der schwerwiegenden Fehlfunktion vergangene Woche war die Internationale Raumstation nicht um wenige Dutzend Grad, sondern anderthalbmal gedreht worden.

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Das Modul Nauka vor dem Andockmanöver aus der Sicht der ISS-Crew

(Bild: Oleg Novitskiy)

Lesezeit: 3 Min.

Bei dem schief gelaufenen Andockmanöver des russischen Forschungsmoduls Nauka an die Internationale Raumstation wurde die ISS vergangene Woche nicht um 45 Grad gedreht, sondern um 540 Grad – also etwa anderthalbmal um die eigene Achse. Außerdem war der Kontakt zwischen der Raumstation und den Verantwortlichen auf der Erde zweimal unterbrochen – einmal für vier und einmal für sieben Minuten. Das hat Zebulon Scoville von der NASA in einem Interview mit der New York Times erklärt, er war als Flugdirektor während der Geschehnisse im Einsatz. In seinen sieben Jahren in dieser Position habe er vorher nie einen "Raumschiffsnotfall" erklären müssen.

Nauka war am 21. Juli vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan in Zentralasien gestartet und am Donnerstagabend (MESZ) am Außenposten der Menschheit angedockt. Der New York Times sagte Scoville, dass er eigentlich gar nicht im Dienst war und die Vorgänge nur von der Besuchertribüne beobachtet habe. Nach Abschluss des Andockvorgangs habe er dann übernommen, weil der eigentlich verantwortliche Flugdirektor einen Termin hatte. Umgehend habe es dann die Warnungen gegeben und mit der Ruhe sei es vorbei gewesen.

Das Forschungsmodul hatte angeblich aufgrund einer "kurzzeitigen Software-Störung" erneut die Triebwerke aktiviert und damit begonnen, die Station zu drehen. Das sei zwar nicht schnell genug gewesen, um an Bord bemerkbar zu sein, aber trotzdem hätte das heftige Konsequenzen haben können. So würden die Strukturen dadurch unter Druck gesetzt und außerdem hätten die Antennen nicht mehr in die richtige Richtung gezeigt, erklärt Scoville. Nach der Erklärung des Notfalls seien auf der Erde zwar zusätzliche Antennen zur ISS gedreht worden, trotzdem sei aber zweimal der Kontakt abgebrochen. Nauka selbst habe nicht erreicht werden können, das Modul reagierte nur auf Befehle aus Russland. Und bis die wieder in Funkreichweite gekommen sind, habe es 70 Minuten gedauert.

Laut Scoville hatte die Crew an Bord zuerst die Triebwerke des Moduls Swesda aktiviert, um der Drehung entgegen zu wirken. Das habe aber nicht gereicht. Dann habe ein angedocktes russischen Progress-Modul geholfen. Aber erst als Nauka nach etwa 15 Minuten selbst aufgehört habe, zu schieben, habe das die Drehung beendet. Berichten zufolge war der Treibstoff alle. Die Station sei dann zurückgedreht worden und nach etwa einer Stunde sei alles wieder in Ordnung gewesen. Vorläufige Analysen hätten ergeben, dass die Station in gutem Zustand sei. Für das Verhältnis zwischen der NASA und ihrem russischen Gegenstück dürften die Geschehnisse keine negativen Folgen haben, meint Scoville noch.

(mho)