Warum fast alle Beteiligten den Klima-Hungerstreik beenden

Es ging die ganze Zeit auch ums Essen. Genauer gesagt um mögliche Ernteausfälle von bis zu 30 Prozent im Jahr 2050. Symbolbild: Sabrina_Ripke_Fotografie auf Pixabay (Public Domain)

Um eine Erfahrung reicher: "Wir würden sterben zugunsten eines kalten, fantasielosen politischen 'Weiter so'"

Mehr als drei Wochen nach Beginn des Berliner Hungerstreiks für einen "Klima-Bürger:innenrat" haben fast alle Beteiligten aufgegeben - jedenfalls, was diese Protestform betrifft. Ein junger Mann will sie allerdings noch verschärfen und kündigt einen "trockenen" Hungerstreik an.

Drei weitere junge Menschen hätten wieder angefangen zu essen, nachdem zwei bereits nach einem Krankenhausaufenthalt am Sonntag das Hungern beendet hätten, teilte die Sprecherin der Aktion, Hannah Lübbert, am Mittwoch mit. "Würden wir weitermachen - wir würden sterben zugunsten eines kalten, fantasielosen politischen ‚Weiter so‘, das für alles Leben auf der Erde tödlich enden wird", so die Mehrzahl der ursprünglich sechs Personen umfassenden Gruppe in einer gemeinsamen Erklärung.

Bis zuletzt hätten die drei Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) keine Bereitschaft für ein öffentliches Gespräch gezeigt. Dazu hatten die Hungerstreikenden aufgefordert, um von den drei möglichen Regierungschefs der nächsten Legislaturperiode jeweils die Zusage für die Einberufung eines "Klima-Bürger:innenrats" zu bekommen.

Dieses Gremium sollte repräsentativ aus allen Bevölkerungsgruppen ausgelost und professionell beraten werden, um verbindliche Vorschläge für eine sozial ausgestaltete Energie- und Verkehrswende erarbeiten - mit dem Ziel, dass die menschengemachte Erderwärmung auf 1,5 oder zumindest deutlich unter zwei Grad begrenzt werden kann und Deutschland einen fairen Beitrag zur weltweiten Emissionsminderung leistet. Sonst drohen im Jahr 2050 in einigen Ländern Ernteausfälle von bis zu 30 Prozent, wie die Hungerstreikenden betont hatten.

"Wir wissen, dass diese Stühle leer bleiben werden"

Das Gespräch mit Laschet, Scholz und Baerbock hätte nach den Vorstellungen der Aktiven am morgigen Donnerstag stattfinden sollen. "Wir haben zugesichert, ihnen bis zuletzt einen Stuhl bei diesem Gespräch freizuhalten", erklärte die Gruppe. "Wir wissen, dass diese Stühle leer bleiben werden."

Die Forderung und die Methode hatten den Beteiligten nicht nur Gegenwind von Leugnern und Verharmlosern der Umwelt- und Klimakrise Kritik eingebracht, sondern auch mehr oder weniger solidarische Kritik aus Kreisen, die grundsätzlich den Ernst der Lage erkannt haben. Der Vorstand der Umweltorganisation Greenpeace hatte in verständnisvollem Ton an die Gruppe appelliert, den Hungerstreik zu beenden und ihre Energie unter anderem für den bundesweiten und globalen Klimastreik am Freitag sowie für die nächsten Monate aufzusparen. Die ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth (Ökolinx) hatte den Beteiligten sektenhaftes Verhalten unterstellt.

Die mutmaßliche Naivität, auf Gespräche mit Polit-Karrieristen in der Endphase des Bundestags-Wahlkampfs zu setzen, haben sie nach bis zu zehn Kilo Gewichtsverlust aber zumindest abgelegt - falls es ihnen nicht von vornherein darum ging, das politische Establishment einschließlich der Grünen als weitgehend skrupellos zu entlarven.

Schmerzen und gesundheitliche Probleme haben sie dafür auf jeden Fall in Kauf genommen. Die deutsche Sektion des Netzwerks Extinction Rebellion (XR) hatte sich mit ihnen solidarisch erklärt: "Die Aktionsform ist eine Gratwanderung, aber der Leidensdruck dahinter real und so ist der Gesprächsbedarf zwischen den Generationen", hatte XR Deutschland am 18. September erklärt.

Statt Selbstopferung "Aufbruch der Vielen"

"Wir werden nicht länger auf die Politik warten. Wir dürfen nicht länger in der Hoffnung auf die Politik dem kaputten, zerstörerischen System dienen. Wir haben viel zu lange gewartet", erklärten sie am Mittwoch und riefen zu einem "Aufbruch der Vielen" auf.

Der letzte der ursprünglich Beteiligten, Henning Jeschke, hat allerdings einen anderen Weg angekündigt: "Was folgt, ist ein Durststreik. Ignoranz ist nicht hinnehmbar", erklärte der 21-Jährige in der Nacht zum Mittwoch auf Twitter. Auch eine junge Frau, die sich erst in dieser Woche dem Hungerstreik angeschlossen hat, will nach eigenen Angaben die Aufnahme von Flüssigkeit verweigern, wenn das öffentliche Gespräch mit den Kanzlerkandidaten nicht zustande kommt.