Europäische Halbleiterfertigung: Die EU kommt nicht in die Pötte

Die EU will Milliarden Euro investieren, um Chipfertiger wie Intel nach Europa zu locken. Regulierungen und Bürokratie bringen die Projekte jedoch ins Stocken.

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(Bild: Macro photo/Shutterstock.com)

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Die EU steht sich beim Ausbau der europäischen Halbleiterindustrie selbst im Weg. Sie will Dutzende bis mehr als 100 Milliarden Euro investieren, um Chipfertiger mit der modernsten Prozesstechnik nach Europa zu locken, jedoch geht es insbesondere im internationalen Vergleich nur langsam voran. So haben Intel und TSMC in den USA mithilfe von Regierungsförderungen bereits mit dem Bau neuer Halbleiterwerke begonnen, während sich die EU noch im Entscheidungsprozess mit Intel befindet, wo ein hiesiges Werk entstehen soll. TSMC hat nur vorsichtiges Interesse angemeldet.

Politico fasst die Entwicklungen der vergangenen Monate zusammen: Die EU-Kommission hat gerade einmal 3-5 Milliarden Euro für die Halbleiterindustrie freigegeben, zusätzliche 8-9 Milliarden Euro kommen von Länderinvestitionen und weitere 6 Milliarden Euro von vorangegangenen EU-Plänen. Allein Intel veranschlagt jedoch Förderungen von 8 Milliarden Euro für den Bau einer 20 Milliarden Euro teuren Produktionsstätte.

Ein maßgebliches Problem ist die EU-weit organisierte Bürokratie. Projekte wie der Bau eines geförderten Halbleiterwerks müssen ausgeschrieben werden, die Kandidaten werden geprüft und schließlich muss sich die verantwortliche Firma für einen Standort entscheiden. Dann gibt es aber noch Regulierungen, was die Beteiligten mit dem Fördergeld machen dürfen und was nicht, zudem haben die Kartellbehörden ihre Finger im Spiel.

Eigentlich will die EU in den nächsten Jahren bis zu 145 Milliarden Euro in den Chipmarkt investieren, darunter ein großer Teil für die Produktion von Halbleiterbauelementen. Für das Unterfangen riefen 17 Mitgliedsstaaten das „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) Mikroelektronik II ins Leben. Zur Finanzierung müssen die beteiligten Länder zunächst konkrete Pläne vortragen, bevor die EU ein Paket aus Maßnahmen strickt.

Laut Politico nennen die Pläne von 10 Ländern allerdings nicht einmal den Begriff (Micro-)Chips, fünf weitere haben ihre Pläne noch nicht finalisiert. Von den Ländern, die Mittel für Chips zusagten, sehen nur sechs ein gesondertes Budget für Halbleiter vor, während andere die Mittel mit Investitionen in die Cloud, künstliche Intelligenz und andere Technologien zusammenlegen.

Unterm Strich meint Tyson Barker, Programmleiter Technologie und Außenpolitik bei der Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP): "Es ist viel einfacher, Regulierungspolitik auf europäischer Ebene zu betreiben als Industriepolitik auf europäischer Ebene. Denn wenn man Industriepolitik macht, wählt man Gewinner und Verlierer aus."

Bis die Vorhaben konkret werden, vergeht also viel Zeit. Es bleibt daher fraglich, ob die EU im kommenden Jahr viel mehr als 20 Milliarden Euro in die europäische Halbleiterindustrie pumpen wird. Der Ausbau ist das bislang größte Investitionsvorhaben der EU – und den Umgang muss sie offenbar erst einmal lernen.

(mma)