Verarbeitung geheimer Dokumente: Britische Geheimdienste wollen AWS nutzen

"007" könnte künftig über Amazons Cloud-Service AWS seine gesammelten geheimen Informationen übermitteln und auf andere Daten zugreifen.

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(Bild: Shutterstock/Kunal Mehta)

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Die britischen Geheimdienste Government Communications Headquarters (GCHQ), MI5 und MI6 haben einen Vertrag mit Amazon geschlossen, um über Amazon Web Services (AWS) geheime Dokumente zu verarbeiten und über den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) Datenanalysen vorzunehmen. Auch weitere Behörden wie etwa das britische Verteidigungsministerium würden dann ebenfalls auf den Service zurückgreifen. Dies berichtet die Financial Times (FT) am Montag. Das Auftragsvolumen soll innerhalb der nächsten 10 Jahre zwischen 500 Millionen Britische Pfund und eine Milliarde Britische Pfund, etwa 593 Millionen Euro bis 1,19 Milliarden Euro betragen.

Wie die Financial Times unter Berufung auf vier mit der Sache betrauten Personen berichtet, sei der Vertrag bereits in diesem Jahr unterzeichnet worden. Zu dem Deal wollten sich weder die Geheimdienste noch Amazons Cloud-Sparte äußern. Die Details seien nicht für die Öffentlichkeit gedacht.

Sämtliche Daten sollen der FT nach auf Servern in Großbritannien gespeichert und verarbeitet werden. Amazon als US-Unternehmen soll keinerlei Zugriffsmöglichkeiten auf die gespeicherten Informationen in der Cloud bekommen. So soll verhindert werden, dass die Daten unkontrolliert ins Ausland abfließen.

Grundsätzlich soll der Cloud-Dienst von den britischen Geheimdiensten den weltweit tätigen Spionen eine Möglichkeit an die Hand geben, streng geheime Informationen sicher auszutauschen, heißt es im Bericht der FT weiter. Zudem sollen über AWS verschiedene Services realisiert werden, um beispielsweise bestimmte Stimmen aus Aufnahmen von Abhöraktionen mittels KI herausfiltern und übersetzen zu können. Darüber hinaus sollen die Geheimdienste GCHQ, MI5 und MI6 die Möglichkeit erhalten, Informationen der Dienste in deren jeweiligen Datenbanken zu suchen und zu finden.

Die gesammelten Datenmengen sollen sich mit der Verwendung von AWS effektiver auswerten lassen als bisher und damit die Verarbeitung beschleunigen. Der ehemalige Leiter des National Cyber Security Center, Ciaran Martin, sagte gegenüber der FT, dass die Geheimdienste große Datenmengen nicht in Wochen oder Monaten, sondern in Minuten auswerten könnten. Dass gleichzeitig mehr Daten gesammelt werden, glaube er aber nicht. Es gehe nicht darum, die Datenmenge zu erhöhen. Vielmehr sollen die vorhandenen Informationen effektiver von den Geheimdiensten genutzt werden können, um gewissermaßen die Nadel im Heuhaufen zu finden.

Mit dem Vertrag mit AWS geben die britischen Nachrichtendienste allerdings auch ein Stück weit ihre Souveränität auf. Bisher wurden Technik im eigenen Haus entwickelt und betrieben, um die volle Kontrolle zu behalten. Mit der Beauftragung eines kommerziellen Anbieters wie Amazon, der aus den USA kommt, ändert sich das jedoch. Nach Angaben von zwei nicht näher genannten Personen, die an dem AWS-Deal beteiligt waren, soll GHCQ bereits mehrere Jahre lang einen Cloud-Anbieter im Vereinigten Königreich gesucht haben, schreibt die FT. Es hätte jedoch keiner die benötigten Kapazitäten für das Vorhaben bereitstellen können, sodass auf AWS zurückgegriffen wurde.

Für die Geheimdienste ist es wichtig, zu verhindern, dass der verwendete Cloud-Anbieter einen Zugang zu den Daten hat und dies auch kontrolliert werden kann. Offenbar sind GCHQ, MI5 und MI6 der Ansicht, dass das bei einem aus einem befreundeten Staat stammenden Anbieter möglich ist.

Amazons Cloud-Dienst ist zurzeit der größte Cloud-Anbieter der Welt mit einem Marktanteil von über 30 Prozent. In den USA hatte Amazon bereits 2013 den Zuschlag des US-Geheimdienstes CIA erhalten, um eine Cloud-Infrastruktur für 600 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Das US-Verteidigungsministerium schrieb unter dem Projekt Jedi eine Cloud-Infrastruktur für das Militär aus. Zunächst erhielt dazu Microsoft den Zuschlag und konnte Amazon ausstechen. Mittlerweile soll der Vertrag jedoch aufgelöst und neu ausgeschrieben werden. Auch Amazon hat wieder die Möglichkeit, sich um den Großauftrag zu bewerben.

(olb)