Digital-Paket: EU-Staaten wollen Amazon, Google & Co. an die Leine legen

Der EU-Rat hat seine Positionen zu den geplanten Gesetzen für digitale Dienste und Märkte festgelegt. Er drängt auf Rechtskonformität "by Design".

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(Bild: Koshiro K/Shutterstock.com)

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EU-Regierungsvertreter haben am Donnerstag bei einem Treffen des Rats für Wettbewerbsfähigkeit ihren Kurs für die weiteren Verhandlungen über den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) abgesteckt. Damit sollen umfassende neue Regeln für alle digitale Leistungen einschließlich sozialer Netzwerke, Online-Marktplätze und anderer Online-Plattformen eingeführt werden. Im Mittelpunkt stehen große US-Internetkonzerne wie Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft.

Beim DSA macht sich der Ministerrat mit seiner Position dafür stark, auch die Betreiber großer Suchmaschinen sowie öffentlicher Gruppen und offener Kanäle auf Telegram, WhatsApp & Co. einzubeziehen. Sie sollen ebenfalls verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte wie Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs oder Gewaltaufrufe auf Anordnung von Behörden zeitnah zu entfernen oder zu blockieren. Dies geht über die hiesigen Vorgaben im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) hinaus.

Die Mitgliedsstaaten drängen auf "Compliance by Design". Vor allem Anbieter von Online-Marktplätzen sollen demnach die Rechtskonformität bereits in die Technik einbauen. Sie "dürfen ihre Online-Schnittstelle nicht in einer Weise gestalten, strukturieren oder organisieren", die Nutzer "entweder absichtlich oder tatsächlich täuscht oder manipuliert". Deren "Autonomie, Entscheidungsfreiheit und Wahlmöglichkeiten" sollen nicht untergraben und beeinträchtigt werden, macht sich der Rat für ein Verbot von Design-Tricks ("Dark Patterns") stark.

Erhalten Amazon & Co. Kenntnis von einem illegalen Produkt oder einem rechtswidrigen Service, das über ihre Dienste angeboten wird, sollen sie die Kunden der vergangenen sechs Monate darüber informieren. Das viel diskutierte Aus für gezielte Werbung mit Tracking und Profiling strebt der Rat nicht an.

Die Bundesregierung konnte sich auch nicht mit ihrem Anliegen durchsetzen, Microtargeting bei Kindern zu untersagen und fordert daher Korrekturen. Nutzer sollen aber über "die wichtigsten Parameter informiert werden", mit denen Plattformbetreiber festlegen, "dass ihnen eine bestimmte Werbung präsentiert wird". Anbieter von Empfehlungssystemen müssen ferner mindestens eine Option anbieten, die nicht auf persönlichen Profilen basiert.

Bei den vorgesehenen Lösch- und Sperranordnungen für rechtswidrige Inhalte, die Behörden jeglicher Art Host-Providern ohne Richtervorbehalt grenzüberschreitend schicken können sollen, pochen die EU-Länder auf Klarstellungen. Sie wollen Risiken für die Meinungs- und Informationsfreiheit reduzieren. Die Wirkung einschlägiger Anweisungen soll in der Regel auf das Hoheitsgebiet des anordnenden EU-Lands beschränkt sein. Droht eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von Personen, ist eine Löschfrist von 24 Stunden vorgesehen.

Die Durchsetzbarkeit der Vorschriften wollen die Staaten verbessern, indem etwa die EU-Kommission über "systemische Fragen" entscheiden soll. Die drei Kerngrundsätze der E-Commerce-Richtlinie - das Herkunftslandprinzip, das bedingte Haftungsprivileg und das Verbot allgemeiner Überwachungspflichten – wird prinzipiell beibehalten.

Mit dem parallel beratenen DMA soll für große Plattformen mit essenziellen Diensten eine Liste an Wettbewerbsauflagen gelten, gegen die sie von vornherein nicht verstoßen dürfen. Konzerne mit monopolartiger Macht stehen dabei im Fokus. Mit einem neuen Wettbewerbsinstrument sollen dominante "Gatekeeper" im Netz davon abgehalten werden, einige "unfaire Praktiken" auszuüben.

Der Rat plädiert hier mit seiner einstimmig angenommenen "allgemeinen Ausrichtung" dafür, dass neben großen Plattformen wie den Anbietern von Suchmaschinen, Betriebssystemen, sozialen Netzwerken, nummernunabhängigen Kommunikationsdiensten (Messengern) und Online-Werbenetzwerken auch Sprachassistenten wie Alexa, Cortana, Google Assistant und Siri unter die Kernbestimmungen der geplanten Verordnung fallen.

Plattformen, die als "Torwächter" fungieren, dürften mit dem DMA nicht länger exklusiv ihre eigenen Anwendungen vorinstallieren. Sie könnten andere Entwickler von Betriebssystemen oder Hardware-Hersteller auch nicht mehr nötigen, ausschließlich Programme aus dem eigenen Haus aufzuspielen. Die Interoperabilität soll so ausgebaut werden. Wettbewerbswidrig werden soll es, Nutzer rechtlich oder technisch daran zu hindern, mitgelieferte Apps zu deinstallieren.

Gatekeeper sollen bei ihren Diensten anfallende Daten auch nicht mehr ohne Weiteres für eigene kommerzielle Aktivitäten verwenden können. Nutzer müssten gezielt einwilligen, wenn ein großer Anbieter ihre auf einem Portal erzeugten Daten mit solchen aus anderen seiner Services zusammenführen will. Zusätzlich in den Blick nehmen sollen die Wettbewerbshüter den EU-Staaten zufolge Nebendienste der großen Betreiber wie Bezahllösungen und andere technische Zusatzangebote etwa für integrierte Werbeschaltungen, wie sie beispielsweise Google über das Netzwerk Doubleclick anbietet.

Zudem verlangen die Länder mehr Mitspracherechte beim Anstoßen kartellrechtlicher Untersuchungen und bei der Durchsetzung der Regeln über nationale Behörden wie das Bundeskartellamt. Fusionskontrollen sollen zwischen den Kartellwächtern der Kommission und der Mitgliedsstaaten besser abgestimmt werden. Staaten wie Deutschland setzen sich mit Protokollerklärungen für weitere Verschärfungen ein.

In den nächsten Monaten müssen der Rat unter der kommenden französischen Präsidentschaft, das EU-Parlament und die Kommission nun einen Kompromiss für beide Gesetze zur Plattform-Regulierung aushandeln. Die Abgeordneten haben ihre Linie zum DMA bereits vorgelegt, wonach sie Messenger und soziale Netzwerke interoperabel gestaltet wissen und die Sanktionen deutlich erhöhen wollen. Ihre Entscheidung zum DSA steht noch aus. "Überwachungswerbung ist ein blinder Fleck im Beschluss" des Rats, monierte Alexandra Geese, DSA-Schattenberichterstatterin für die Grünen im Parlament. Die Länder hätten es versäumt, die Nutzer "vor unverhältnismäßigem Profiling zu schützen".

(mho)