NSA-Fall: Reality Winner klagt über harte Bewährungsauflagen und The Intercept

Der staatliche Druck sei auch nach der Haftentlassung enorm, moniert Whistleblowerin Reality Winner. The Intercept habe sie bewusst ans Messer geliefert.

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(Bild: Lightspring / shutterstock.com)

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Seit Kurzem befindet sich Reality Winner bei ihren Eltern im US-Bundesstaat Georgia, nachdem die frühere NSA-Vertragsarbeiterin im Juni zunächst nach fünf Jahren Haft in eine offene Anstalt verlegt worden war. Sie war 2016 zu 63 Monaten Gefängnis und drei anschließenden Jahren Freiheit unter Überwachung verurteilt worden, weil sie einen Geheimbericht an das US-Portal "The Intercept" weitergegeben hatte. Doch "frei" fühlt sich die 29-Jährige bislang nicht.

Sie sei in den vergangenen fünf Monaten zweimal einkaufen und etwa genauso oft zum Essen gegangen, berichtete die einstige Geheimdienstanalystin am Freitag per Videoschalte auf einer Konferenz des Disruption Network Lab in Berlin. Weitere "Ausflüge" seien ihr bislang untersagt worden mit Verweis auf die Pandemie. Ihr Bewährungshelfer habe ihr generell erklärt, dass sie in den nächsten drei Jahren immer zwischen 22 und 6 Uhr zuhause sein müsse. Reisen mit Übernachtung auswärts und Besuche bei weiter entfernt lebenden Familienmitgliedern seien damit gestrichen.

Ein Elternteil müsse sie auch immer wieder insgesamt 100 Meilen hin und zurück zu einer Einrichtung fahren, wo sie sich einem Drogen- und Medikamententest zu unterziehen habe, erklärte Winner. Es sei ihr ferner nur eingeschränkt erlaubt, mit Medien zu sprechen. Interviews etwa seien nicht mit den gerichtlichen Auflagen vereinbar, laute die Ansage ihres Bewährungshelfers: "Ich weiß nicht einmal, was die Folgen der Teilnahme an einer Diskussion wie dieser sind. Wenn ich offen spreche, könnte ich zurück ins Gefängnis kommen."

Sie habe inzwischen einen Job in der lokalen Gemeinde, müsse aber fast jeden Schritt außer Haus planen, führte die Ex-Informantin aus. Die Auflagen seien insgesamt sehr vage. Der Ball liege größtenteils bei ihrem Aufpasser, der sich keinerlei Zurückhaltung auflegen müsse. Dafür fehle der öffentliche Druck. Obwohl sie nun neben ihren Eltern auch wieder "vier Hunde, vier Katzen und ein Pferd, das sich für einen Hund hält", um sich habe, falle es ihr schwer zu erkennen, "dass es ein Schritt nach vorn ist". Als sie sich kurz nach der Entlassung in der Übergangsstation einmal zu weit ins Wohnzimmer vorgewagt habe, sei dies als Fluchtgefahr eingestuft worden. Aufgrund des "ständigen Dramas" habe sie schon zwei neue Panikattacken erlitten.

Billie Winner-Davis und Reality Winner (Screenshot)

Auch mit Kritik an ihrem früheren Medienpartner sparte Winner nicht. The Intercept hatte von ihr ein NSA-Papier erhalten, in dem der russische Militärgeheimdienst GRU beschuldigt wird, US-Wahlbehörden etwa durch Spear-Phishing angegriffen und die öffentliche Meinungsbildung vor der Kür Donald Trumps zum Präsidenten beeinflusst zu haben. Vor der Publikation des Dokuments und einer umfangreichen Geschichte dazu bat The Intercept die NSA und den US-Geheimdienstdirektor mit einem übersandten Scan um Stellungnahme. Eine mitgelieferte Druckerkennung führte so rasch zu Winner, die noch vor der Veröffentlichung des Leaks vom FBI festgenommen wurde.