Kurz geht

Windeln statt Winkelzüge: Sebastian Kurz ist vorerst österreichische Politgeschichte. Bild: European People's Party / CC-BY-2.0

Warum Polit-Karrieren in Österreich gefühlt immer kürzer werden. Und warum sich vielleicht immer weniger Menschen diesen Job antun werden. Ein aktueller Kommentar aus Salzburg.

An das Kommen und Gehen der politischen Gallionsfiguren ist man als politischer Beobachter in Österreich langsam gewöhnt: Nun also auch Sebastian Kurz, vorgeblich Saubermann, Vorzeigekanzler, Polit-Jungstar, einmaliges Rhetorik- und Optik-Talent, kurzum: Europas Parade-Schwiegersohn auf dem Polit-Parkett. Am heutigen Donnerstag, den 02.12.21, erklärte Kurz seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern.

Geburt als Paradigmenwechsel

Nach der Geburt seines ersten Kindes Konstantin vor wenigen Tagen habe es "Klick" gemacht, weiß die Kronen-Zeitung zu berichten. Kurz würde "für seinen Sohn" zurücktreten, steht im Übertitel des Aufmachers des Boulevardblattes.

Nur selten hat eine Geburt so schnell zu einem Paradigmenwechsel geführt. Üblicherweise sind es ja die Mütter, die sich nach einer Geburt neu orientieren (müssen). Die Entscheidung, sich die Politik nicht mehr "antun zu wollen", so wird Kurz in der Krone zitiert, wirkt einerseits menschlich.

Andererseits muss man sich fragen: War für die Erkenntnis, dass die Politik in Österreich ein zutiefst schmutziges Geschäft ist, tatsächlich eine Geburt als zugegebenermaßen Elementarereignis im Leben notwendig?

Spott und Häme im Netz werden wohl nicht lange auf sich warten lassen: Man danke dem neuen Erdenbürger dafür, dass er Österreich vor einer Ära Kurz III bewahrt hat.

Und das werden wohl noch die eher harmlosen Witze sein, wenn man sich nur den immer aggressiver werdenden Tonfall auf Twitter vor Augen führt.

Rücktritte und "persönliche Erklärungen"

Die Demission von Sebastian Kurz reiht sich ein in eine lange Serie von Politiker-Rücktritten in Österreich in den vergangenen Jahren: Reinhold Mitterlehner, Eva Glawischnig, Christian Kern, Ulrike Lunacek, Rudolf Anschober und nun Sebastian Kurz. Kaum ein Kanzler oder Vizekanzler hielt es länger als zwei Jahre in der Politik aus.

Die genaue Motivlage war unterschiedlich, aber alle einte die Tatsache, dass sie die Schnauze gehörig voll von Politik hatten. Es waren mitunter auch persönliche Schicksalsschläge (Mitterlehner) oder gesundheitliche Gründe (Anschober) ein Faktor, und manchmal waren die "persönlichen Erklärungen" kurz, manchmal dauerten sie eine gefühlte Ewigkeit (Anschober), manchmal waren sie schlichtweg peinlich (Glawischnig). Mehr als einmal waren sie weinerlich.

Von außen erzwungen waren nur der Rücktritt von Heinz-Christian Strache nach der Publikation des Ibiza-Videos sowie der ebenso rasche Rücktritt von Christine Aschbacher im Zuge ihrer Plagiatsaffäre.

Nach der Polit-Karriere schreibt man ein Buch (Mitterlehner, Anschober), wird Berater oder geht in die Privatwirtschaft (Kern). Über einen Top-Job in dieser munkeln bereits Krone und ORF.

Kurz‘-Intimus und Biograf Ronzheimer erinnert in der Bild daran, wie jung Sebastian Kurz ist und dass er doch in ein paar Jahren wiederkehren könne.

Aber nun heißt es einmal: Sebastian Kurz, genießen Sie die Vaterschaft. Den schönsten und am schlechtesten bezahlten Job der Welt!

Die bange Frage aber bleibt: Wer wird sich Politik in Österreich in Zukunft überhaupt noch antun wollen?