Mehrere EU-Staaten drängen auf neue EU-weite Vorratsdatenspeicherung

Neben Deutschland werben Luxemburg, die Niederlande, Schweden und Ungarn für eine neue Pflicht auf EU-Ebene, Nutzerspuren umfassend zu protokollieren.

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Die Rückkehr einer gesetzlichen Vorgabe zur Vorratsdatenspeicherung bleibt ein umstrittenes Thema in der EU. Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch hat jetzt die Positionen von sieben Mitgliedsstaaten dazu veröffentlicht, darunter auch die von Deutschland. Die Mehrheit davon ist demnach für eine neue gesetzliche Pflicht in der gesamten Gemeinschaft für Telekommunikationsfirmen, Verbindungs- und Standortdaten wieder umfassend und nur mehr oder weniger gezielt zu protokollieren.

Für eine solche Neuauflage machen sich demnach neben Deutschland die Nachbarstaaten Luxemburg und die Niederlande sowie Schweden und Ungarn stark. Bekannt war bereits, dass sich die alte Bundesregierung für eine aufgebohrte Vorratsdatenspeicherung einsetzt. Sie will etwa, dass von den "allgemeinen und unterschiedslosen" Speichervorgaben künftig auch "Over-The-Top"-Anbieter wie WhatsApp, Facebook Messenger, Signal und Threema erfasst werden. Es sei zudem erforderlich, "nicht nur die IP-Adresse, sondern auch den Zeitstempel und, wo einschlägig, die zugewiesene Portnummer zu speichern".

Die Vorratsdatenspeicherung auf ein spezifisches geografisches Gebiet zu begrenzen, wäre "nicht sonderlich nützlich angesichts der Mobilität Verdächtiger", schreibt die Bundesregierung in ihrer jetzt publizierten Eingabe an die EU-Kommission. Aus rechtlicher Sicht stelle sich auch die Frage, wie ein gezieltes Protokollieren von Nutzerspuren durchgeführt werden könnte, "ohne dabei bestimmte Personengruppen zu diskriminieren". Zudem wäre dieser Ansatz "technisch kaum machbar".

Die hiesige Exekutive misst insofern der baldigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum bestehenden, faktisch aber ausgesetzten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung besondere Bedeutung bei. Darin seien nämlich die betroffenen Datenkategorien und die Dauer deren Aufbewahrung bereits eingeschränkt.

Der EuGH-Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona geht trotzdem davon aus, dass die deutsche Vorgabe gegen die europäischen Grundrechte verstößt. Die künftige Ampel-Koalition will die Regeln zur Vorratsdatenspeicherung "rechtssicher" und anlassbezogen gestalten, was auf das von der bisherigen Regierung abgelehnte "Quick Freeze" hinauslaufen dürfte.

Ungarn unterstützt in seiner Antwort auf die von der Kommission im Juni gestartete Umfrage bei den Mitgliedsstaaten ebenfalls ein allgemeines und unterschiedsloses Aufbewahren von Verkehrsdaten. Die EU dürfe hier aber nur sehr allgemeine Vorschriften erlassen, da die innere Sicherheit eine Angelegenheit der Nationalstaaten sei. Einen gezielten Ansatz hält die Regierung in Budapest nicht für wirksam, das "Einfrieren" von Telefon- und Internetdaten sei allenfalls ein "zusätzliches Instrument". Eine Vorratsdatenspeicherung nur von IP-Adressen sei unzureichend.

Die Niederlande befürworten eine EU-Lösung, auch in Form eines Gesetzes. Sie sind der Ansicht, dass eine gezielte und auf IP-Adressen beschränkte Maßnahme auf große technische Hürden stoßen würde und möglicherweise gar nicht durchführbar sein könnte. Die Regierung in Den Haag begrüßt ferner das Vorhalten von Teilnehmerinformationen wie Bestandsdaten, hält dieses allein aber für ungenügend.

Ähnlich äußerten sich Schweden und Dänemark, wobei letzteres die EuGH-Rechtsprechung als Hindernis für die effektive Strafverfolgung und die Arbeit der Geheimdienste kritisiert. Luxemburg äußerte sich nicht zu spezifischen Ansätzen, ist aber für EU-Rechtsvorschriften im Einklang mit der Linie der im gleichen Land sitzenden EuGH-Richter.

Finnland betonte als einziger der sieben Staaten, dass es keine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung geben dürfe. Der Grundsatz der strikten Notwendigkeit sei zu beachten, geeignete Schutzmaßnahmen müssten vorgesehen werden. Dreizehn andere EU-Länder wie Belgien, Tschechien, Frankreich, Italien, Polen, Portugal und Spanien haben ebenfalls die Fragen der Kommission beantwortet. Sie weigerten sich aber, auf die Informationsfreiheitsanfrage von Statewatch hin die entsprechenden Dokumente herauszugeben. Die Geheimniskrämerei begründen sie mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit.

(olb)