Verbietet das Impfen!

US-Soldaten bei einem Training zur Aufstandskontrolle im Joint Multinational Readiness Center in Hohenfels, Deutschland. Würden auch die Impfzentren gestürmt, ließe man sie derart absperren? Bild: Staff Sgt. Thomas Duval, defense.gov

Wie schafft man es, dass Menschen wollen, was sie sollen? Eine Glosse

Anfang des Jahres habe ich im Deutschlandfunk ein Feature gehört, in dem es um Edward Bernays, den "Vater der Propaganda" ging. Bernays war der Neffe von Sigmund Freud und war mit seinen Eltern schon Ende des 19. Jahrhunderts von Wien aus in die USA ausgewandert. Er nutzte die Kenntnisse seines Onkels über das Unbewusste im Ersten Weltkrieg zur psychologischen Kriegsführung, später als Steuerungsmittel des Kaufverhaltens und der politischen Meinungsbildung.

Aus einem Medium der Aufklärung wurde die Psychoanalyse zu einem Instrument der Manipulation. Bald wurde ihm klar, dass der Begriff "Propaganda" durch den Sieg der Bolschewiki in Russland in der westlichen Welt einen schlechten Klang bekommen hatte. Bernays ersetzte ihn daher durch den der Public Relations.

Die Sache blieb allerdings dieselbe: Wie kann man Menschen dazu bringen, aus freien Stücken etwas zu tun, was im Interesse anderer – zum Beispiel von Politik und Industrie – liegt? Wie kann man bei den Leuten ein Begehren erzeugen, das sie vorher nicht hatten und kannten, und dieses Begehren in klingende Münze umsetzen? Ein Beispiel fand ich besonders interessant. Eine US-amerikanische Firma beauftragte Bernays, eine Kampagne für eine Backmischung zu entwerfen, deren Absatz nicht richtig in Schwung kam.

Bernays fand heraus, dass puritanisch geprägte US-amerikanische Hausfrauen Schuldgefühle empfanden, es sich mit dieser Backmischung zu einfach zu machen und sich gewissermaßen mit fremden Federn zu schmücken. Sie stellten einen Kuchen auf den Tisch, zu dem sie nichts beigetragen hatten.

Er riet dem Hersteller, den Kundinnen zu empfehlen, der Backmischung noch ein Ei hinzuzufügen. Prompt schwand das schlechte Gewissen der Hausfrauen, weil sie ja etwas zum Gelingen des Kuchens beigetragen hatten. Der Absatz der Backmischung stieg rasant.

Wenn Edward Bernays noch leben würde, könnte der Gesundheitsminister ihn beauftragen, eine Studie zu erstellen, wie man unter Einbeziehung des Wissens seines Onkels Sigmund die Widerstände gegen das Impfen schwächen könnte. Dann träte das Wissen endlich mal wieder in den Dienst einer vernünftigen Sache und der wohlverstandenen Interessen der Allgemeinheit.

Aus welchen trüben, unbewussten Quellen sich die Impfwiderstände speisen, darüber habe ich in meinem Text Das Eigene und das Fremde: zur Sozialpsychologie der Impfgegnerschaft ein paar Vermutungen angestellt.

Das allabendliche Zeigen von Szenen, wo irgendwelche Leute eine Spritze in den Arm gerammt bekommen, ist jedenfalls nicht geeignet, Menschen die Furcht vor der Spritze zu nehmen und Vorbehalte gegen die Impfung abzubauen.

Mit vor Schreck geweiteten Augen und abgewandtem Blick sitzen die "Impflinge" auf einem Stuhl und lassen die Prozedur über sich ergehen – wie am Marterpfahl.

Einmal sah ich in den Monaten der Pandemie eine Karikatur, die einen älteren Herrn auf dem Impfstuhl zeigte. Als der Arzt mit der Spritze naht, fragt der Impfling: "Müssen wir nicht warten, bis das Fernsehen da ist?"

Die Franzosen machen es anders: Sie werben für die Impfung mit einem Plakat, auf dem ein Paar zu sehen ist, das die durch die Impfung zurückgewonnene Freiheit nutzt, um sich zärtlich zu küssen.

Vielleicht würde auch Herrn Bernays, wenn er noch leben würde, etwas Besseres einfallen als die allabendliche Stecherei und das anschließende Bepflastern der Einstichstelle.

Die Erfindung der paradoxen Intervention in Preußen

Selbst in Preußen, nicht gerade das Stammland des Einfühlungsvermögens, ging man geschickter vor, als man den Untertanen in der Folge von etlichen Hungersnöten den Anbau von Kartoffeln schmackhaft machen wollte.

Nachdem etliche nach 1750 ergangene "Kartoffelbefehle" wirkungslos verpufft waren, ordnete der gewiefte Alte Fritz an, die Felder, auf denen Kartoffeln angebaut wurden, von Soldaten bewachen zu lassen.

Sein Kalkül: Die Leute würden denken: Was in Preußen bewacht wird, muss wertvoll und gut sein, und sie würden klauen, was derart bewacht wird. Und so würde sich die verhasste oder auch nur unbekannte Knolle im Handumdrehen im Land verbreiten und den hungrigen Untertanen die Mägen füllen.

Manche Historiker bezweifeln die Authentizität dieser Anekdote, aber es ist in unserem Kontext völlig wurscht, ob sich das wirklich so abgespielt hat. Das aus Südamerika stammende Nachtschattengewächs wurde jedenfalls in Preußen heimisch und stieg zu einem Grundnahrungsmittel auf.

So wurde der Alte Fritz zum Erfinder der therapeutischen Technik der paradoxen Intervention.

Für diese Technik noch ein neueres Beispiel: Ein Paar erscheint beim Therapeuten und klagt über mangelndes sexuelles Interesse. Man habe schon ewig nicht mehr miteinander geschlafen. Am Ende der Sitzung rät der Therapeut dem Paar, für vier Wochen unbedingt jeden Sex zu vermeiden. Prompt sagt sich unser Paar: "Von diesem Kerl lassen wir uns doch das Vögeln nicht verbieten", und fällt übereinander her.

Ein anderes Beispiel: Ein Freund von mir möchte seiner kleinen Tochter vor dem Einschlafen etwas vorlesen, merkt aber, dass diese keine Lust darauf hat. Er sagt: "Anna, tut mir leid, heute Abend habe ich keine Zeit und kann dir nichts vorlesen." Statt zu sagen: "Prima, das trifft sich gut, ich habe eh keine Lust auf deine blöden Geschichten", fordert sie umgehend, dass ihr vorgelesen wird.

Man sieht an diesen Beispielen, dass es sich um eine ausgefuchste Herrschaftstechnik handelt. Der fremde Wille wird als eigener erlebt. Noch in der Revolte und im Widerspruch erfüllt sich der Wunsch des Stärkeren.

Aber vielleicht könnte man sich diesen Mechanismus bei der Impfkampagne zunutze machen. Die Technik der paradoxen Intervention funktioniert nur bei autoritär strukturierten Menschen, aber an solchen herrscht in Deutschland kein Mangel.

Also: Die Regierung sollte das Impfen verbieten, die Lagerstätten des Impfstoffs streng, am besten militärisch bewachen lassen, und schon würden die braven Staatswichtel nach der Impfung skandierend verlangen: "Das könnte euch so passen: Ihr Reichen lasst euch impfen und wir sollen an Corona krepieren!"

Götz Eisenberg ist ein deutscher Sozialwissenschaftler und Publizist. Er arbeitete als Gefängnispsychologe und ist Autor zahlreicher Bücher.