Was den Ansätzen für Diversität in der US-Tech-Branche fehlt​

Der Anteil schwarzer und hispanischer Menschen mit Technikabschlüssen steigt kaum. Statt neuer Versprechen und Zuschüssen braucht es systemische Änderungen.​

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(Bild: Christina @wocintechchat.com // Unsplash)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Lynette Yarger
  • Victor Mbarika
  • Fay Cobb Payton
Inhaltsverzeichnis

Letztes Jahr haben viele US-Organisationen als Reaktion auf die "Black Lives Matter"-Bewegung Erklärungen über Diversität veröffentlicht und kühne Behauptungen zur Förderung des sozialen Wandels aufgestellt. Als schwarze Informatiker haben wir diese Erklärungen und Versprechen als reaktionär und weitgehend unwirksam empfunden.

US-Unternehmen versprachen 50 Milliarden Dollar für Rassengerechtigkeit, stellten aber nur einen Bruchteil dieser Mittel für direkte Zuschüsse zur Verfügung. Dabei wäre das der beste Weg, um einen systemischen Wandel zu bewirken. Derweil gaben mindestens 230 Hochschuleinrichtungen innerhalb von zwei Wochen nach der Ermordung von George Floyd Erklärungen ab. Viele von ihnen sprachen von Solidarität, Gleichberechtigung und größerer Integration, aber nur eine von zehn enthielt konkrete Maßnahmen zur Lösung von Rassenproblemen.


Fay Cobb Payton ist Professorin an der North Carolina State University. Lynette Yarger ist außerordentliche Professorin und stellvertretende Dekanin an der Pennsylvania State University. Victor Mbarika ist Stallings Distinguished Scholar an der East Carolina University.


Die Erfolgsbilanz dieser Einrichtungen gibt keinen Anlass zur Zuversicht, dass sie ihre Versprechen auch einhalten werden. Es gibt kaum Rechenschaftspflicht und keine Möglichkeit zu beurteilen, ob diese Zusagen das Leben und die Lebensbedingungen schwarzer Menschen tatsächlich verbessert haben.

Vielfalt und Integration (insbesondere von Schwarzen) können die Produktentwicklung verbessern, die Innovation vorantreiben und Kreativität und Unternehmertum fördern, die allesamt die Wirtschaft des Landes antreiben. Forschungsergebnisse zeigen, dass vielfältigere Teams innovativer sind und mehr Umsatz machen.

Wir hören oft, dass der Weg zu einer Karriere im Technologie-Bereich als Pipeline beschrieben wird. Die meisten Bemühungen zur Förderung der Vielfalt in unserem Bereich haben sich darauf konzentriert, mehr Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund in diese Pipeline zu bringen. Und doch bleibt die Repräsentation hartnäckig niedrig. Zwischen 2014 und 2020 stieg der Anteil schwarzer und hispanischer Technik-Experten bei Facebook um weniger als zwei Prozentpunkte.

Warum ist das so? Die Pipeline-Metapher ignoriert die Realität von Rassismus, Klassismus und Sexismus, mit denen diejenigen konfrontiert sind, die seit jeher von Technologie-Karrieren ausgeschlossen sind. Menschen, die abbrechen und aussteigen, gelten oft als mangelhaft. Diese Denkweise schreit aber geradezu: Repariert die Menschen und nicht das System.

Hier kommt das Pathway- oder Pfad-Modell als Alternative zur Pipeline-Metapher ins Spiel. Befürworter dieses Modells versuchen, mehrere Einstiegspunkte zu schaffen, die jemanden zu einer Technologie-Karriere führen können. Die Idee ist, dass die Menschen aus anderen Bereichen wie Ingenieurwesen, Kunst, Mathematik und sogar Geisteswissenschaften einströmen. Eine Möglichkeit, diesen Zustrom zu fördern, besteht darin, dass zwei- und vierjährige Bildungsprogramme es den Menschen leicht machen, in einem Programm zu beginnen und in einem anderen abzuschließen.

Selbst wenn die Bildungswege mehr Einstiegsmöglichkeiten bieten, bleibt das Durchkommen insbesondere für Minderheiten eine Herausforderung. Man muss immer noch mit den Möglichkeiten für akademischen Erfolg und Karrierebereitschaft vertraut sein, und sich der Barrieren bewusst sein, die einem im Weg stehen können. Diese sind von Schule zu Schule und sogar von Abteilung zu Abteilung innerhalb derselben Schule unterschiedlich. Studierenden müssen darüber hinaus auch in der Lage sein, dieses Wissen anzuwenden, um sich in veralteten Prozessen und komplexen Machtstrukturen zurechtzufinden.

Die Frage ist: Was wäre besser? Wir plädieren für einen ökosystemischen Ansatz, bei dem viele Organisationen zusammenarbeiten, um die mangelnde Repräsentation in der Technologie-Branche zu beheben. Das Tech-Ökosystem sollte Grund- und weiterführende Schulen, Hochschuleinrichtungen, Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Regierungsbehörden und Risikokapitalgeber einbeziehen. Öffentlich-private Partnerschaften könnten dazu beitragen, ein Umfeld zu schaffen, das vom Beginn der Ausbildung bis zum Ende der beruflichen Laufbahn integrativ ist.

Dies könnte eine Umgestaltung von Systemen erfordern, die das Vorankommen der Studenten verlangsamen und zu ungleichen Ergebnissen führen. Dazu gehören etwa Mathematik-Zugangskurse die Studierende bestehen müssen, um ihr Studium fortzusetzen, und Zulassungsbeschränkungen, die Studenten daran hindern, sich für Kurse einzuschreiben, bis die Studiengebühren vollständig bezahlt sind.

Universitäten und Technologie-Unternehmen könnten Studierenden aus unterrepräsentierten Gruppen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Allerdings müssten diese Organisationen zunächst ihre eigene Kultur ändern, um mehr Integration zu ermöglichen. Das bedeutet, dass sie ihre Rekrutierungspraktiken überdenken müssen, die sich in der Regel auf berufliche Netzwerke stützen und zu einem homogenen Pool von Bewerbern führen. Sie müssen sich mit Quellen algorithmischer Voreingenommenheit befassen, zum Beispiel mit automatischen Lebenslauf-Filtern, die Bewerber von bestimmten Schulen auswählen und solche mit ethnisch klingenden Namen meiden.

Organisationen und Studienfächer, die den neuen Ansatz verfolgen, werden Spitzenleistungen, Innovation und Kreativität fördern. Georgia State University ist ein gutes Modell. Die Universität hat Leistungsunterschiede beseitigt, indem sie Meta-Disziplinen eingeführt hat, die die Studierenden bei der Immatrikulation auswählen. Ein Biologiestudent, der sich für ein Meta-Schwerpunktfach wie MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) entscheidet, belegt Kurse gemeinsam mit Studenten, die eine Karriere in anderen MINT-Fächern wie Medizin oder Mathematik anstreben. Heute machen afro-amerikanische und hispanische Studenten an der Georgia State University genauso viele Abschlüsse wie weiße Studenten.

Ökosysteme sind darauf angewiesen, dass sowohl Universitäten als auch Unternehmen über Erklärungen zur Vielfalt hinausgehen. Was wir brauchen, ist ein nachhaltiger, bewusster Wandel. Geldspenden für einen bestimmten Zweck können helfen, aber sie müssen mit Maßnahmen einhergehen, die die Technologie gerechter machen.

Am wichtigsten ist, dass wir die heutigen Führungskräfte in die Pflicht nehmen, indem wir Maßnahmen und Verfahren einführen, die auf Transparenz, Einhaltung und Durchsetzung ausgerichtet sind. Der beste Weg, Systeme zu verbessern, die einige begünstigen und andere ausschließen, besteht darin, die zugrunde liegenden Strukturen anzugehen, nicht nur die Menschen.

(vsz)