"Halo Infinite" im Test: Die Geschichte ist ein Loop

Die Welt der Videospiele sähe ohne "Halo" wohl anders aus. Im Vergleich zu modernen Shootern wirkt zumindest der Einzelspieler-Modus aber ein wenig angestaubt.

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(Bild: Microsoft)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Daniel Ziegener
Inhaltsverzeichnis

Als das erste "Halo" auf einer Pressekonferenz von niemand geringerem als Apple-Chef Steve Jobs vorgestellt wurde, sollte es noch ein Open-World-Shooter werden. So ziemlich alles kam anders. Statt auf dem Mac erschien "Halo" exklusiv für die Xbox des Erzrivalen Microsoft. Und statt eine freie Spielwelt aus der Third-Person-Perspektive zu erkunden, sollten Konsolenspieler sich am Ende aus der Ego-Perspektive durch lineare Levels ballern. Am Erfolg gemessen waren diese Entscheidungen wohl richtig. Mehr als 80 Millionen Mal verkauften sich die zahlreichen Fortsetzungen und Ableger bis heute.

Zuletzt waren die Durchschnittswertungen jedoch auf einem langsamen Abwärtstrend in Richtung Mittelmaß. Sechs Jahre nach "Halo 5: Guardians" erscheint nun "Halo Infinite" und schlägt mit einer größeren Spielwelt und kostenlosem Mehrspielermodus eine neue Richtung ein. Gleichzeitig klammert sich Entwickler 343 Industries an alles, was die Serie früher einmal groß gemacht hat – im Guten wie im Schlechten.

"Halo Infinite" wird als größtes "Halo" aller Zeiten beworben. Zumindest was die Länge der Einzelspieler-Kampagne angeht, stimmt das. Die Entwickler greifen das Versprechen des allerersten Trailers des allerersten "Halo" auf und öffnen die Spielwelt zumindest teilweise. Jeder Spielabschnitt umfasst einige Quadratkilometer des hügeligen Ringplaneten. Innerhalb dieser Hub-Welten finden Spieler nicht nur das nächste Ziel der Kampagne, sondern auch zahlreiche optionale Nebenmissionen.

"Halo Infinite" im Test (10 Bilder)

Wenn der Master Chief nicht gerade markige Sprüche klopft, lassen die Zwischensequenzen auch mal ruhigere Töne anklingen.
(Bild: heise online)

Diese To-Do-Liste in Form einer Übersichtskarte könnte auch aus einem richtig Open-World-Spiel wie "Far Cry" kommen: Hier einen Außenposten von Feinden befreien, da einen Propaganda-Funkmast in die Luft jagen und nebenbei ein Fahrzeug freischalten, um damit noch schneller zum nächsten Außenposten oder Funkmast zu kommen. Die Masse an Nebenmissionen streckt die ohnehin schon lange Kampagne, lässt sich aber ebenso gut vollständig ignorieren, ohne viel zu verpassen.

Als Geste in Richtung moderner Gaming-Trends ist das die größte Neuerung eines Spiels, das seinen Wurzeln ansonsten treu bleibt. Nicht die Nebentätigkeiten, sondern die Story steht weiterhin im Mittelpunkt der Kampagne. Entwickler 343 Industries betonte im Vorfeld zwar, die bisherigen Spiele wären keine Pflichtlektüre, um dieser folgen zu können. Ohne enzyklopädisches Vorwissen ist die Fülle an Namen und Referenzen dennoch kaum zu durchdringen. Wer mit "Halo Infinite" zum ersten Mal einen Fuß in das Science-Fiction-Universum setzt, kann die Zwischensequenzen ebenso gut überspringen – unverständlicher wird die ohnehin eher rudimentäre Handlung dadurch jedenfalls nicht.

Hardcore-Fans mögen Namen wie Atriox und Escharum aus dem Echzeitstrategie-Spin-Off "Halo Wars 2" wiedererkennen, die neuen und alten Bösewichte bleiben in "Halo Infinite" selbst blass. Trotz zig Fraktionen, Figuren und feindseligen Alien-Arten geht es am Ende immer um das gleiche: So lange Dinge in die Luft jagen, bis der Plan der Bösen vereitelt ist. Das spiegelt sich auch in Missionsdesign selbst wider. Allzu oft steht der Protagonist Master Chief nicht vor kniffligen Herausforderungen, sondern läuft einem gelb markierten Checkpunkt hinterher. Weder offenere Spielwelt noch freie Missionswahl schaffen es auf Dauer, von dieser Monotonie abzulenken, auch wenn die Kampagne zum Ende hin etwas mehr Fahrt aufnimmt.

Nachdem Singleplayer-Shooter totgesagt wurden, erlebte er zuletzt eine Wiedergeburt. Die abwechslungsreiche Kampagne von "Titanfall 2" bewarf Spielende in Minutentakt mit kreativen Gameplay-Ideen. Die Fortsetzungen von "Wolfenstein" erzählten eine Geschichte voller Empathie und Witz. Und das "Doom"-Reboot injizierte den Uropa des Genres mit jeder aufputschenden Substanz, die aufzutreiben war. Kurz gesagt: Shooter-Kampagnen sind aufregender und abwechslungsreicher denn je.

Diese Konkurrenz lässt "Halo Infinite" umso älter aussehen. Die leeren (und besonders zu Beginn des Spiels viel zu häufigen) Innenräume sehen aus, als wären sie lieblos per Copy & Paste aneinandergeklebt worden und die Zwischensequenzen bestehen zu weiten Teilen aus wütenden Aliens, die ankündigen, den Master Chief umbringen zu wollen. "Halo"-Fans wird das genügen. Darüber hinaus muss eine Shooter-Kampagne im Jahr 2021 einfach mehr bieten – entweder spielerisch oder erzählerisch.