Grafikkarten und Spielekonsolen kaufen: "Es ist ein Bot-Krieg"

Sogenannte Scalper, die Hardware kaufen, um sie teurer zu verkaufen, könnten die Preise von Grafikkarten und Konsolen höher treiben als der globale Chipmangel.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 330 Kommentare lesen

(Bild: c't)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wer privat eine bezahlbare Gaming-Grafikkarte oder eine Spielekonsole wie Microsofts Xbox Series X beziehungsweise Sonys Playstation 5 sucht, braucht starke Nerven, viel Durchhaltevermögen und eine Art Fortbildung als Detektiv. Außer dem Faktor weltweiter Chipmangel und im Falle von Grafikkarten das Mining von Kryptowährungen mit GPUs könnte auch der Wiederverkaufsmarkt die Preise nach oben treiben.

The Verge hat mit zwei Programmierern gesprochen, deren Tools Interessierte über lagernde Grafikkarten und Konsolen bei US-amerikanischen Shops benachrichtigen. Die Programmierer sehen derzeit einen "Bot-Krieg", den Shops mit offenen Armen empfangen. Wer den besten und schnellsten Bot zum automatisierten Kaufen hat, bekommt die Ware.

Vermeintliche Gegenmaßnahmen wie Warteschlangen vor dem Kauf würden ausschließlich Privatmenschen schaden und sogenannten Scalpern das Leben leicht machen. Scalper kaufen Hardware, um sie dann über Plattformen wie Ebay noch teurer weiterzuverkaufen.

"Die Bots gehen direkt zur Kasse. Sie haben herausgefunden, wie sie zur Kasse gehen können, ohne überhaupt die Webseite zu besuchen", meint einer der Gesprächspartner. "Durch die Einrichtung dieser Warteschlangensysteme wird zwar der Verkehr gebremst, aber die Bots gehen durch die Hintertür und kaufen alle Artikel – während die Kunden noch auf dem Parkplatz sitzen."

Screenshot von Gamestops Warteschlangensystem zum Kauf einer Playstation 5. Die meisten Interessierten wurden nach einer Weile benachrichtigt, dass man kein Glück hatte.

(Bild: Mark Mantel / heise online [Screenshot])

Weiter heißt es: "Sie müssen die Hintertür abschließen, nicht die Vordertür. Das wirft die Frage auf: Ist es ihnen egal? Versuchen sie nur, an den Infrastrukturkosten zu sparen? Letztendlich sind es Bots und Scalper, die die Preise für diese Waren in die Höhe treiben und ihnen höhere Gewinnspannen bescheren. Einige Einzelhändler freuen sich vielleicht sogar darüber, weil sie die Ware als Palette verschicken können, was ihnen eine Menge Geld für den Versand spart."

Bisher benachrichtigen die Tools der beiden Entwickler Interessierte nur über lagernde Produkte. Gewinn machen sie über Affiliate-Programme, bei denen Shops pro vermitteltem Kauf wenige US-Dollar Provision zahlen. Stand jetzt haben Community-Mitglieder gut 50.000 Grafikkarten gekauft – der Umsatz soll derzeit Richtung 200.000 US-Dollar pro Jahr gehen.

"Wir haben noch nicht die komplette automatische Kaufabwicklung und den automatischen Sofortkauf eingeführt, weil das mit Scalpern assoziiert wird. Wir entwickeln Skripte und Hilfsprogramme. Sie checken immer noch manuell aus, aber wir helfen Ihnen bei einigen der kniffligen Dinge, indem wir kleine Skripte anbieten, die Sie ausführen können."

Das Wettrennen ist inzwischen jedoch so weit fortgeschritten, dass man ohne automatisierte Käufe nicht mehr viel reißen kann: "Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir anfangen, Bots zu entwickeln, weil viele Einzelhändler so schlecht sind, so stark von Bots beherrscht werden, dass wir Auto-Checkout-Tools entwickeln müssen, um konkurrenzfähig zu sein – einfach, um an den anderen Bots vorbeizukommen. Es ist ein Bot-Krieg."

Selbst Mittelklasse-Grafikkarten wie AMDs Radeon RX 6700 XT und Nvidias GeForce RTX 3070 kosten derzeit 1000 Euro und mehr. Viele Modelle sind sofort lieferbar, da Händler immer häufiger so hohe Preise aufrufen, dass selbst Wiederverkäufer nicht mehr an ihnen interessiert sind.

AMD und Nvidia verkaufen wöchentlich kleine Mengen an Referenzdesigns (im Nvidia-Sprech Founders Editions) zu den offiziellen Preisempfehlungen, die für Scalper ein gefundenes Fressen sind. AMD setzt genauso wie viele andere Hardware-Hersteller auf den Dienstleister Digital River, der ein rudimentäres Warteschlangensystem eingeführt hat. Mit viel Beharrlichkeit, zahlreichen Versuchen und ordentlich Glück kommt man an ein Exemplar, meistens geht man aber leer aus. Nvidia setzt hierzulande auf Notebooksbilliger als Partner, dessen Lagerbestände jedoch immer umgehend ausverkauft werden.

AMDs Direkt-Shop, bevor der Dienstleister Digital River ein Warteschlangensystem einführte. Oft bekam man nur Fehler angezeigt, ohne den Kauf abschließen zu können.

(Bild: Mark Mantel / heise online [Screenshot])

Im Interview mit The Verge resümieren die Entwickler, dass Beharrlichkeit beim Kauf einer Grafikkarte oder einer Konsole am meisten bringt. Auch laut ihnen ist es jedoch kaum möglich, eine Grafikkarte zur UVP zu ergattern. In vielen Fällen sei es wirtschaftlich sinnvoller, ein paar Hundert US-Dollar beziehungsweise Euro mehr auszugeben, als stunden- oder tagelang den Markt abzugrasen.

Währenddessen erzielen AMD und Nvidia Rekordquartal nach Rekordquartal, auch mit steigenden Lieferzahlen bei Grafikkarten und dadurch wachsenden Umsätzen. GPUs scheint es also grundsätzlich zu geben, sie kommen nur nicht zu akzeptablen Preisen bei den PC-Spielerinnen und -Spielern an.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(mma)