"Ampel": Wessis haben das Kommando

Nicht alle Ideale der "friedlichen Revolution" von 1989 (hier auf einem Wandgemälde in Leipzig) hatten mit der Realität von heute zu tun. Foto Frank Vincentz / CC-BY-SA-3.0

Trotz des Anspruchs der Ampel-Regierung, mehr Chancengleichheit für Ostdeutsche zu schaffen, ist deren Quote in politischen Führungspositionen niedriger als zuvor

Auch Ostdeutsche sollen in der Bundesrepublik Aufstiegschancen haben – so lautete das Versprechen der neuen Bundesregierung unter Olaf Scholz (SPD). In einem gemeinsamen Papier hatten Sozialdemokraten, Grüne und Liberale betont, Ostdeutsche solle verstärkt der Weg in Führungspositionen ermöglicht werden.

In dem Papier, aus dem das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und der Spiegel im November zitierten, heißt es:

Wir verbessern die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen. Für die Ebene des Bundes legen wir bis Ende 2022 ein Konzept zur Umsetzung vor.

Mit Blick auf die Bundesministerien kann festgehalten werden: Von dem Versprechen ist wenig geblieben. Eine aktuelle Studie der Universität Kassel zeigt, dass man Ostdeutsche unter den Spitzenbeamten nach wie vor mit der Lupe suchen muss. Bislang finde man nur eine in Ostdeutschland aufgewachsene Staatssekretärin, heißt es in der Studie. Gemeint ist aus Rostock stammende Juristin Antje Draheim, die seit 8. Dezember 2021 Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit ist.

Damit schreibt die neue Bundesregierung einen Trend fort, der im Prinzip seit der sogenannten Wiedervereinigung besteht:

Unter Staatssekretären und Abteilungsleitern in Bundesministerien und im Kanzleramt lag der Anteil der Ostdeutschen bis zum Ende der dritten Amtszeit von Angela Merkel meist bei rund einem Prozent, in der ersten Amtszeit von Gerhard Schröder und in der ersten Amtszeit von Angela Merkel gab es schlicht überhaupt keine Ostdeutschen in diesen Positionen.

An den Kabinettstischen sei die Quote der Ostdeutschen traditionell etwas höher, heißt es weiter in der Studie. Doch unter der "Ampel-Regierung" sei sie mit neun Prozent niedriger als in den meisten Vorgängerregierungen nach 1990.

In der Berliner Zeitung hatte der Politikwissenschaftler Denis Huschka die Situation schon analysiert. Insgesamt biete die aktuelle Regierung 54 Spitzenposten, die des Bundeskanzlers, der Minister sowie des Chefs des Bundeskanzleramtes und der parlamentarischen Staatssekretäre. Nur fünf von ihnen gingen an Ostdeutsche.

Mit Klara Geywitz (Ressort Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) und Steffi Lemke (Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) gibt es zwei ostdeutsche Ministerinnen, und mit Reem Alabali-Radovan, Carsten Schneider und Michael Keller gibt es drei ostdeutsche Parlamentarische Staatssekretäre.

Die Quote liegt dennoch niedriger als zehn Prozent und damit deutlich unter der in der vierten Amtszeit von Angela Merkel. Damals lag die Ossi-Quote bei knapp 14 Prozent und näherte sich damit dem Anteil der Ostdeutschen an der Gesamtbevölkerung (etwa 16 Prozent) an. Sogar in den Kabinetten von Helmut Kohl zwischen 1990 und 1998 sollen mehr Ostdeutsche vertreten gewesen sein. Auf eine Anfrage des Spiegels sagte Studienautorin Sylvia Veit, die Quote habe damals bei mehr als 15 Prozent gelegen.

Wenn es die Ampel-Regierung mit der Chancengleichheit für Ostdeutsche ernstmeint, dann wird sie wohl beim eigenen Personal noch nachbessern müssen.

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