Corona-Zufallsbefunde: Wie aussagekräftig sind Hospitalisierungszahlen?

Mit dem Virus konfrontiert, ist medizinisches Personal immer in Alarmbereitschaft. Auch bei Patienten ohne typische Symptome. Symbolbild: Mohamed Hassan auf Pixabay (Public Domain)

Deutsche Intensivmediziner betonen, dass auch Einlieferungen "mit", nicht nur "wegen Corona" eine besondere Belastung für die Krankenhäuser bedeuten. Außerdem sei dies die Minderheit

Dank steigender Impfquoten galt in Deutschland schon vor dem Auftreten der Virusvariante Omikron, die zwar hoch ansteckend ist, aber in der Regel für mildere Verläufe sorgt, die nackte Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus nicht mehr als einziges Kriterium für restriktive Eindämmungsmaßnahmen. Die Zahl der hospitalisierten Fälle rückte in den Vordergrund.

In manchen Schweizer Kantonen angeblich die Hälfte

Doch wie viele davon sind Zufallsbefunde? – In mehreren europäischen Ländern gab oder gibt es bereits eine Debatte über die Hospitalisierungszahlen, deren Aussagekraft und die Erfassungskriterien. Der Schweizer Blick meldete vergangene Woche, dass in mehreren Kantonen des Landes etwa die Hälfte der Patienten aus anderen Gründen eingeliefert und erst später positiv getestet worden sei, so auch im Universitätsspital Zürich. In Genf sollen es mit 45,95 Prozent knapp die Hälfte der Patienten gewesen sein.

In Dänemark scheint dies landesweit "nur" auf etwas mehr als ein Viertel der Patienten zuzutreffen. Mit der Überschrift "Wir haben versagt" hat sich die dänische Boulevardzeitung Ekstra Bladet gleichwohl dafür entschuldigt, amtliche Zahlen zur Hospitalisierung von Corona-Patienten lange Zeit nicht hinterfragt zu haben.

27 Prozent in Dänemark

"Die ständige geistige Wachsamkeit hat sich bei uns allen enorm abgenutzt", heißt es in dem Leitartikel. Tatsächlich seien in dem Land 27 Prozent der hospitalisierten Patienten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, aus anderen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Bereits Ende 2021 hatte Henrik Ullum, Leiter des Statens Serum Instituts (SSI), das mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland vergleichbar und für die Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten zuständig ist, zugegeben, dass die Hospitalisierungszahlen nicht aussagekräftig seien. Es fehlte die Unterscheidung nach Erst- und Zweitdiagnose – beziehungsweise der Hinweis, ob es sich um reine Zufallsbefunde handelte. In Dänemark wird diese Unterscheidung nun getroffen.

In Deutschland ist die Unterscheidung laut RKI "im Einzelfall schwierig"

Das RKI weist diesen Unterschied bis heute nicht aus. In seinem letzten Situationsbericht vom Freitag wird wie üblich nur nach der Altersgruppe und danach unterschieden, ob sich die Patienten auf der Intensivstation befinden. Die Zahl der hospitalisierten Covid-19-Fälle pro 100.000 Einwohner lag demnach zuletzt bei 3,23, in der Altersgruppe über 60 Jahre bei 5,25.

Die Unterscheidung, ob die Patienten "mit oder wegen Corona" eingeliefert wurden, sei "im Einzelfall schwierig", hat das RKI vor wenigen Tagen auf Anfrage des ZDF erklärt. Bei manchen Vorerkrankungen sei die Ursache der Hospitalisierung nicht eindeutig zu ermitteln.

Das ist logisch, wenn es sich beispielsweise um Menschen mit vorgeschädigten Lungen handelt. Die Frage ist aber, was bei eindeutig anderen Ursachen – wie etwa für die Jahreszeit typischen Unfällen wie Knochenbrüchen – passiert.

Bereits Ende letzten Jahres hatte die Welt am Sonntag berichtet, dass RKI und Klinikleitungen einander missverstanden hätten, welche Patienten gemeldet werden sollten. Während das RKI gefordert habe, nur Patienten zu registrieren, die mit der Hauptdiagnose Covid-19 eingeliefert wurden, hätten große Klinikkonzerne auf Anfrage der Zeitung erklärt, alle Patienten mit positiven Testergebnissen zu melden.

Mindestens 27 Prozent in Rheinland-Pfalz

Für das Land Rheinland-Pfalz ergab die Befragung, dass 27 Prozent aus anderen Gründen eingeliefert worden seien, bei 20 Prozent war die Hauptursache unklar – 53 Prozent waren demnach eindeutig "wegen" und nicht nur "mit Corona" eingeliefert worden.

Intensivmediziner argumentieren jedoch, der Grund der Einlieferung spiele keine Rolle für den Aufwand, der getrieben werden müsse, um positiv getestete Patienten in den Krankenhäusern zu isolieren. Auch seien die Einlieferungen "wegen Covid" in der Mehrzahl gegenüber den Zufallsbefunden – und das perioperative Risiko steige mit einer Corona-Infektion "erheblich an, selbst wenn die OP einen ganz anderen Grund hat", erklärte dazu der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Dr. Christian Karagiannidis.

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