Französische Atomaufsicht: 2021 deckte Schwächen der Atomwirtschaft auf

Frankreich will weiter auf Atomkraft setzen. Der Chef der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht dafür einigen Handlungsbedarf.

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Das Atomkraftwerk Civaux ist momentan abgeschaltet, da dort Korossion an Schweißnähten entdeckt wurde.

(Bild: EDF)

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Das vergangene Jahr deckte die Schwächen der französischen Atomwirtschaft auf, meint Bernard Doroszczuk, Vorsitzender der französischen Atomaufsicht ASN. Das betreffe sowohl die Atomkraftwerke als auch die Industrieanlagen des Brennstoffkreislaufs.

Insgesamt sei die Sicherheit der Nuklearanlagen sowie der Strahlenschutz dort und beim Transport radioaktiver Stoffe 2021 auf dem gleichen zufriedenstellenden Niveau wie im Vorjahr geblieben, sagte Doroszczuk, der seit Ende 2018 Chef der Autorité de sûreté nucléaire ist. Allerdings müsse in den Diskussionen über die künftige Energiestrategie der Sicherheitsaspekt mehr berücksichtigt werden.

Eine Häufung von geplanten wie ungeplanten Ereignissen habe dazu geführt, dass zurzeit weniger Atomkraftwerke verfügbar seien als einkalkuliert. Das Problem verdeutliche die früher schon mehrfach von der ASN beschworene Notwendigkeit, dem Energiesystem mehr Spielraum zu verschaffen, damit Sicherheit und Stromversorgung nicht miteinander konkurrieren, wenn Anomalien auftreten.

Momentan sind in Frankreich fünf Reaktoren abgeschaltet, weil in ihnen Korrosion an Schweißnähten von Rohrleitungen entdeckt wurden – wie im AKW Civaux – oder vermutet werden – wie in den baugleichen Reaktoren von Chooz. Mit dem Reaktor in Penly kam ein weiterer Reaktor mit diesem Befund hinzu, der allerdings von einer anderen Bauart ist. Insgesamt sind in Frankreich gerade zehn der dort 56 AKW nicht am Netz.

Eine weitere Schwachstelle der französischen Atomindustrie sieht Doroszczuk im System des Brennstoffkreislaufs. Verzögerungen beim Bau des zentralen Lagerbeckens des Betreibers EDF für abgebrannte Brennelemente, Probleme in der Melox-Anlage von Orano und Korrosionsprobleme in der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague schwächten letztlich den Betrieb der Atomkraftwerke.

Der ASN-Chef meint weiter, um energiepolitisch mehr Spielraum zu haben, müsse der Entschluss beleuchtet werden, zwölf Reaktoren bis 2035 abzuschalten. AKW-Betreiber EDF müsse in den kommenden fünf Jahren untersuchen und belegen, ob Atomkraftwerke über die Laufzeit von 50 Jahren hinaus in Betrieb sein können. Bis 2025 müsse geprüft werden, ob bestimmte Reaktoren länger als 60 Jahre laufen dürften, um ausreichend Zeit zu haben, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu berücksichtigen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte im November angekündigt, dass in dem Land neue Atomkraftwerke entstehen sollen. Doroszczuk betonte nun, dass die Politik dabei unbedingt die Entsorgung miteinbeziehen müsse. Hier müssten schnell sichere Lösungen gefunden werden. Ebenso müsse dafür gesorgt werden, dass für die Energiepolitik ausreichend qualifizierte Fachkräfte bereitstehen.

(anw)