Deshalb schweigt die EU zum politischen Morden im Sudan

Angesichts von zuletzt 71 Toten bei Demonstrationen gegen die Militärherrschaft im nordafrikanischen Land findet die EU nur gemäßigte Worte. Das liegt an einem fragwürdigen Deal mit den Militärherrschern

Im Sudan reißen die Massenproteste gegen die Militärführung nicht ab. Wöchentlich gehen Zehntausende auf die Straßen und fordern eine uneingeschränkt zivile Regierung. Die Putschisten-Führung unter General Abdel Fattah al-Burhan, die am 25. Oktober vergangenen Jahres die selbst eingesetzte Übergangsregierung unter Premier Abdalla Hamdok wieder absetzte, hält aber an ihrer Macht fest und lässt scharf auf Demonstranten schießen. Und die internationale Gemeinschaft?

Vermittlungsversuche tappten bisher ins Leere. Die Fronten sind verhärtet: Den von den Vereinten Nationen Anfang dieses Jahres angebotenen Dialog mit den Militärs lehnten führende Protestorganisationen wie die Sudanese Professionals Association ab – ganz nach der auf der Straße beliebten Parole:

Keine Verhandlungen. Kein Kompromiss. Keine Machtteilung!

Die Militärs sind ebenso wenig bereit, nachzugeben und haben wiederholt auf friedliche Demonstrierende geschossen.

Viel Blut für die Demokratie

Insgesamt starben seit dem letzten Coup im Oktober mindestens 71 Demonstranten, 17 allein in den ersten 17 Tagen dieses Jahres. Und das sind nur die bekannten Massaker der Militärjunta, die die Ruder seit der Absetzung des langjährigen Diktators Umar al-Baschir im April 2019 in der Hand hält.

Proteste in Khartum, November 2021. Bild: Osama Eid / CC-BY-SA-3.0

Zum Beispiel löste das Militär im Juni 2019 eine Sitzblockade vor dem Armeehauptquartier einfach durch Schüsse in die Menge auf, wobei rund 120 Menschen starben, wie Mediziner vor Ort berichteten.

Die internationale Staatengemeinschaft, allen voran die Europäer mit ihrer oft angestrengten werteorientierten Außenpolitik, hält sich angesichts des vielen für Demokratie vergossenen Blutes erstaunlich bedeckt. Natürlich veröffentlichte die EU, gemeinsam mit der Troika aus Norwegen, Großbritannien und den USA, Anfang des Jahres eine Stellungnahme, in der die Gewalt gegen Demonstranten, Angriffe auf Krankenhäuser, freie Presse usw. verurteilt und Rechenschaft gefordert wurde.

Und natürlich wurden ähnliche Forderungen und die nach einer zivilen Regierung auch in deutschen Regierungspressekonferenzen wiedergegeben.

Stolz gibt man dort sogar an, sich "seit dem Sturz des Baschir-Regimes stark für den Wandel in Sudan engagiert" zu haben. Auf der Berliner Sudan-Konferenz habe man 1,8 Milliarden US-Dollar für das Land organisiert und generell würde "unser Engagement für die Transition und unser Engagement für Sudan davon abhängen, dass der vereinbarte Prozess der Transition zur Demokratie mit einer zivil geführten Regierung fortgesetzt wird". Doch dafür tut man im Moment recht wenig.

Sanktionen nach geopolitischem Belieben

Dass das auch anders geht, zeigt ein kurzer Blick auf Mali, das einige hundert Kilometer westlich, wie der Sudan, in der Sahelzone liegt. Auch dieses Land wird von einer Putschisten-Regierung geführt und auch hier wurde in den letzten Tagen demonstriert.

Die meisten Menschen gingen hier jedoch zu den von der Junta aufgerufenen Demonstrationen gegen die Sanktionen, die die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) dem Land auferlegt hat, weil die Militärs die für Februar angesetzten Wahlen für nicht durchführbar halten.

Frankreich, die USA und die EU unterstützen die Sanktionen gegen die malische Junta. Sie versuchten zudem, solche Strafmaßnahmen auch im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen. Diese scheiterten jedoch am Veto von Russland und China.

Keine Überraschung, hört man die Stimmen, die behaupten, es ginge mit den Sanktionen viel weniger darum, Wahlen zu erzwingen, als die malische Junta für ihre Entscheidung zu bestrafen, die Sicherheitssituation im Land nun mit der Hilfe russischer Militärausbilder der Wagner-Gruppe zu handeln.

Offensichtlich ist, dass eine Übergangsregierung aus Putschisten und Vertretern der Straßenbewegung, die gegen den malischen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta im Jahre 2020 protestierten, viel härter sanktioniert wird, als die Putschistenregierung im Sudan, die sich ihres zivilen Teils entledigt hat – spätere Versuche sie wieder einzusetzen befriedeten die Protestierenden nicht – und massiv gegen die eigene Bevölkerung vorgeht.