Informationsfreiheit Hamburg: Starkes Transparenzrecht, schwache Auskunftspraxis

Die Zahl der Beschwerden ist beim Hamburgischen Informationsfreiheitsbeauftragten in den vergangenen beiden Jahren deutlich gestiegen, er klagte auch mehrfach.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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"Starkes Recht, schwache Praxis." So hat der neue Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Thomas Fuchs, die Situation im Bereich der Akteneinsicht in der Hansestadt bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts für die Jahre 2020/21 zusammengefasst.

"Sehr erfreulich" sei gewesen, dass die Hamburgische Bürgerschaft die Transparenz in den Rang eines Verfassungsguts erhoben habe. Die Missstände beim Befolgen dieses Prinzips hätten aber gleichzeitig zugenommen.

Die Zahl der Verfahren, in denen Bürger und Unternehmen den Kontrolleur anriefen, stieg in den vergangenen beiden Jahren mit 323 gegenüber 130 im vorangegangenen Berichtszeitraum deutlich. Die Zunahme wertet Fuchs als Beleg dafür, dass in der Praxis der Zugang zu amtlichen Informationen weiterhin häufig als unzureichend empfunden werde. Insbesondere die Bearbeitungsdauer überschreite oft gesetzliche Fristen.

Es solle nicht bestritten werden, dass die Beantwortung der Informationszugangsanträge für die Verwaltung "ein mühsames und häufig undankbares Geschäft ist", schreibt der Beauftragte in dem Bericht. Rechte Dritter seien zu wahren, Geschäftsgeheimnisse zu bewerten. In vielen Behörden treffe dies auf ungeschulte Sachbearbeiter oder Referenten, die diese Aufgabe vielleicht zum ersten Mal erledigten. Nicht zuletzt, weil Anfragen häufig darauf gerichtet seien, "(vermeintliches) Fehlverhalten aufzudecken", werde oft gemauert.

"Besonders groß ist die Gegenwehr in einigen Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung und bei privatwirtschaftlich organisierten Beteiligungsunternehmen der Stadt", moniert Fuchs. "Hier ist es auch an den Senatsbehörden, die die jeweilige Rechtsaufsicht innehaben, auf die sich weigernden Unternehmen oder Stellen der mittelbaren Verwaltung zuzugehen und eine Änderung der Praxis durchzusetzen. Dies geschieht leider nur selten."

Als keinen Zufall wertet es die Aufsichtsbehörde so, dass sich ihre ersten Beanstandungen auf Basis des Transparenzgesetzes des Landes gegen die Universität Hamburg und die Flughafengesellschaft richteten. Letztere behaupte zu einer Anfrage zu Aspekten des Digitalfunknetzes, die kommunalen Vorgaben seien auf sie gar nicht anwendbar, da Bundesrecht ausgeführt werde. Weil das Unternehmen seine Informationspflicht weiter nicht anerkenne, habe man das Verwaltungsgericht angerufen. Gegen die Universität reichte die Kontrollinstanz vor wenigen Tagen ebenfalls Klage ein.

Die Hochschule führt gegen die Auskunftspflicht über Drittmittelspenden nach dem Umweltinformationsgesetz ihr Selbstverwaltungsrecht ins Feld. Weitere Fälle und Gerichtsverfahren betrafen etwa das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das Thalia-Theater und die Hamburger Hochbahn.

Als eine der löblichen Ausnahme führt Fuchs die Polizei an: Ein Antragsteller begehrte bei ihr Zugang zur Risikoanalyse, Verfahrensbeschreibung und Errichtungsanordnung der umstrittenen Software Videmo zur automatisierten Gesichtserkennung. Die Fachabteilung des Landeskriminalamts (LKA) lehnte dies zunächst ab, da es sich um Entwürfe handle und diese als Verschlusssachen eingestuft seien. Da der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht betroffen gewesen sei, habe man interveniert und das Justiziariat auf die eigene Seite ziehen können. Das LKA habe die begehrten Dokumente dann nur geringfügig geschwärzt herausgegeben.

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Auch der Informationsfreiheitsbeauftragte selbst ist dem Bericht zufolge Adressat von Auskunftsersuchen. Mehrere Interessierte beantragten Zugang zu einer Anordnung, mit der die Behörde den Transfer personenbezogener Daten von WhatsApp-Nutzern in Deutschland in bestimmten Fällen an Facebook untersagte. Das Unternehmen war gegen den Bescheid gerichtlich vorgegangen und argumentierte, dass dieser während des laufenden Verfahrens nicht herausgegeben werden dürfe. Darin seien unzutreffenden Vermutungen und Tatsachenbehauptungen erhoben worden.

Der Kontrolleur teilte die Auffassung nicht, dass eine Offenlegung der Anordnung – deren Tenor und Eckpunkte bereits öffentlich bekannt waren – rufschädigende Wirkung haben könnte. Sonst werde "ein Einfallstor für die Verhinderung jedweder Aufklärung staatlichen Fehlverhaltens" geöffnet. Facebook habe sich dazu entschlossen, keinen gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Der Bescheid könne so herausgegeben werden.

Dagegen gab das Landgericht Hamburg Ende Oktober dem Antrag des Bekleidungshauses H&M statt und untersagte es der Behörde, weite Teile eines millionenschweren Bußgeldbescheids offenzulegen. Es sah das Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt, da Kunden und Arbeitnehmer das Unternehmen möglicherweise meiden würden. Die Entscheidung ist unanfechtbar, sodass der Bescheid in der Schublade bleiben muss.

Viele Anträge hätten sich mit Digitalisierungsprojekten der Stadt oder der Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen beschäftigt, erläutert Fuchs. Allen Schwierigkeiten, aller Arbeitslast und aller knappen Personaldecken auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Pandemie zum Trotz müsse sich die Verwaltung ihrer Aufgabe stellen, das Versprechen des Gesetzgebers in die Tat umzusetzen. Dies gelte gerade 2022, wo das "vorbildliche hamburgische Transparenzgesetz 10 Jahre alt wird".

(kbe)