AKW Fukushima: Sechs Japaner verklagen Betreiber Tepco wegen Krebserkrankung

Zum ersten Mal klagen in Japan Anwohner gegen den Betreiber des 2011 explodierten AKW Fukushima Daiichi, weil sie an Krebs erkrankt sind.

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Gebäude von Block 1 im Juni 2011.

(Bild: Tepco)

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Sechs Menschen, die zu der Zeit der Nuklearkatastrophe von Fukushima Daiichi am 11. März 2011 in der dortigen Präfektur lebten, haben den Betreiber des Atomkraftwerks, die Tokyo Electric Power Company (Tepco) verklagt. Sie verlangen für die angeblich in Folge des Atomunfalls erlittenen Schilddrüsenkrebserkrankungen einen Schadenersatz von insgesamt umgerechnet 4,8 Millionen Euro. Es ist laut japanischen Medien die erste Schadenersatzklage von Anwohnern vor dem Hintergrund einer Krebserkrankung.

Die Kläger waren zum Zeitpunkt des Unfalls zwischen 6 und 16 Jahre alt, berichtet die Nachrichtenagentur Kyodo. Bei allen wurde im Alter zwischen 12 und 18 Jahren Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. An zweien wurde eine Hälfte der Schilddrüse entfernt, an den anderen wurde sie vollständig entfernt. Bei einigen der Kläger traten Metastasen in der Lunge oder anderen Körperteilen auf, sie wurden einer Bestrahlungstherapie unterzogen.

Das Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, entsteht nach einem Atomkraftwerksunfall vor allem durch die Freisetzung radioaktiven Jods. In Fukushima Daiichi sind die Reaktoren 1, 3 und 4 explodiert, mit Wind und Niederschlägen verbreitete sich der radioaktive Niederschlag lokal, regional und global in den Meeren und auf der Erdoberfläche, hoch kontaminiert wurden vor allem Gebiete nordwestlich der havarierten Reaktoren. Für Menschen besonders relevant waren dabei Radionuklide der Elemente Jod, Tellur – das zu radioaktivem Jod zerfällt – und Cäsium.

Vor diesem Hintergrund veranlasste die Regierung Ultraschalluntersuchungen von etwa 300.000 Menchen im Alter unter 18 Jahren. Dabei wurden 266 Fälle von Schilddrüsenkrebs festgestellt. In einer Veröffentlichung der Universität Fukushima von 2018 ist die Rede von einer "hohen Nachweisrate" die Rede. In der Studie heißt es aber auch, dass es schwierig oder unmöglich sei, strahlungsinduzierten Schilddrüsenkrebs von spontanem beziehungsweise sporadischem Schilddrüsenkrebs zu unterscheiden. Strahlungssignaturen, Biomarker der Strahlenexposition oder genetische Faktoren, die für strahlungsinduzierten Krebs spezifisch sind, seien noch nicht identifiziert worden.

Manche Experten vermuten in den Ergebnissen des Massenscreenings eine Überdiagnose, in der auch Krebsarten festgestellt wurden, die keiner Behandlung bedürfen. Ein Expertengremium der Regierung der Präfektur Fukushima war zu dem Schluss gekommen, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Schilddrüsenkrebs und Strahlenexposition nach der Nuklearkatastrophe.

Die Kläger werden unter anderem vom Rechtsanwalt Hiroyuki Kawai vertreten, der sich auch schon vor dem Atomunfall im März 2011 gegen Atomkraft engagiert hatte. Er leitet die Klage von Tepco-Aktionären, die das Unternehmen auf eine Entschädigung von umgerechnet knapp 171 Milliarden Euro verklagt haben. Auch vertritt er knapp 15.000 Kläger in einem Verfahren gegen Führungskräfte von Tepco.

Der Super-GAU von Fukushima (77 Bilder)

Das AKW Fukushima Daiichi mit seinen sechs Reaktorblöcken vor der Katastrophe. Es liegt Luftlinie rund 250 km von Tokio entfernt. Alle sechs Blöcke basieren auf den Siedewasserreaktor-Baureihen BWR 3 bis BWR 5 des US-Unternehmens General Electric; gebaut wurden sie zwischen 1971 und 1979. Block 1 sollte ursprünglich Ende März 2011 stillgelegt werden, die japanischen Behörden genehmigten Februar 2011 aber eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre.
(Bild: dpa)

Im Mai vorigen Jahres unterlag ein nun 63 Jahre alter Mann vor Gericht mit seiner Schadenersatzforderung von umgerechnet etwa 500.000 Euro vor einem Gericht in Sapporo. Er hatte vorgebracht, durch seine Beteiligung an den Aufräumarbeiten an der Ruinen von Fukushima Daiichi sei er an mehreren Krebsarten erkrankt. Tepco bestreitet einen Zusammenhang zwischen den Aufräumarbeiten und Krebserkrankungen.

Voriges Jahr genehmigte die japanische Regierung den Plan des Betreibers Tepco, etwa 1,3 Millionen Tonnen Wasser, das seit März 2011 die geschmolzenen Brennstäbe gekühlt hatte und aufbereitet wurde, ins Meer abzulassen. Tepco will dafür einen ein Kilometer langen Tunnel bauen.

(anw)