NetzDG-Bußgeld: Justizminister Buschmann will Telegram mit Trick beikommen

Deutschen Behörden gelang es bisher nicht, Anhörungsschreiben in NetzDG-Verfahren an Telegram zuzustellen. Justizminister Buschmann hat eine neue Idee.

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(Bild: Justlight/Shutterstock.com)

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Der offiziell in Dubai sitzende Betreiber des Messenger-Diensts Telegram ist für deutsche Justizbehörden bislang nicht erreichbar und kann daher auch nicht nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bestraft werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will nun ein neues Verfahren testen, um – zumindest indirekt – an das Unternehmen heranzukommen.

Das Bundesamt für Justiz hatte schon im Frühjahr zwei Anhörungsschreiben an Telegram wegen NetzDG-Verstößen gerichtet. Der Anbieter habe keinen Ansprechpartner für Behörden benannt und kein Beschwerdeverfahren für strafbare Inhalte aufgesetzt, moniert die Behörde. Der Betreiber antworte bislang aber nicht, obwohl Strafen von bis zu 55 Millionen Euro drohen. Mittlerweile läuft ein offizielles Rechtshilfeersuchen an das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate, das die Dokumente an Telegram weiterleiten soll. Solche Verfahren sind aber langwierig, bis jetzt erfolgte auch hier keine Reaktion.

Nun will die hiesige Justiz zu einer "öffentlichen Zustellung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger greifen", wenn die Schreiben nicht innerhalb angemessener Frist zugestellt würden, erklärte Buschmann vor wenigen Tagen in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse". Durch die öffentliche Anzeige werde die erforderliche Zustellung fingiert. Das Bundesamt der Justiz könne dann ein Bußgeld gegen Telegram wegen der monierten Netz-DG-Verstöße verhängen.

Offen bliebe aber auch dann, wie dieser Bescheid bei einem weitgehend unkooperativen Anbieter vollstreckt und das Geld eingetrieben werden könnte. Buschmann kann sich hier vorstellen, in die Finanzströme an das Unternehmen einzugreifen. Die Telegram-Gründer hatten bereits angekündigt, Werbung zu verkaufen und ein Bezahlmodell einführen zu wollen.

Der Messenger-Dienst machte sich ursprünglich einen Namen, weil er Aktivisten etwa in Belarus, Hongkong oder Russland dabei half, ihre Regierungen zu kritisieren und Demonstrationen zu arrangieren. Mittlerweile ist er aber auch zum Sammelbecken etwa für Rechtsextreme, Corona-Leugner und andere "Querdenker" geworden. Allein seit November sollen darüber hunderte Mordaufrufe gegen Personen aus Politik, Wissenschaft, Medizin, Behörden und Medien hierzulande lanciert worden sein.

"Telegram macht uns weiter große Sorgen", ließ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag bei einem "Kamingespräch" der Innenministerkonferenz in Stuttgart durchblicken. "Es kommt aber Bewegung in die Sache." Es habe erste Kontakte ihres Hauses mit Verantwortlichen bei Telegram gegeben. Details wollte sie noch nicht nennen.

Gespräche mit den US-Konzernen Google und Apple seien zudem erfolgreich verlaufen, betonte die Sozialdemokratin. Diese sollten die zugehörige Mobilanwendung aus ihren App-Stores entfernen, da Aufrufe zu Hass und Gewalt gegen die Geschäftsbedingungen verstießen. Da viel Druck aufgebaut worden sei, zeigte sich Faeser "vorsichtig optimistisch".

Neben Telegram treibt nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden zudem eine in den USA registrierte Online-Plattform verstärkt die Radikalisierung von Mitgliedern voran. "Gettr verzeichnet auch in Deutschland steigende Nutzerzahlen und wird zunehmend insbesondere in der rechtsextremen Szene genutzt", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Brand.

Nach Angaben des Ressorts beobachtet das Bundeskriminalamt (BKA) momentan die Entwicklung des sozialen Netzwerks. Die Ergebnisse sollen dann den Polizeibehörden der Länder zur Verfügung gestellt werden. Fachleute befürchten laut dem Bericht, dass es zu Ausweichbewegungen kommen könnte, falls Telegram künftig stärker kontrolliert wird und mehr hierzulande strafbare Inhalte löscht.

Gettr beschreibt sich selbst als "Marktplatz der Ideen". Jason Miller, ein früherer Berater und Sprecher von Ex-US-Präsident Donald Trump, gründete die an Twitter angelehnte Plattform. Sie startete im Juli als Alternative zu Facebook & Co. und steht nach Angaben der Macher im Zeichen des Kampfs gegen die "Cancel Culture".

(axk)