Barrierefreies Internet soll Wirklichkeit werden

Mehr Gerechtigkeit, auch im Web. Eine neue Verordnung macht sich stark für behindertengerecht gestaltete Websites.

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Von
  • Michael Kurzidim

"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", so steht es in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes. Benachteiligt sind dabei nicht nur behinderte Menschen, die im Rollstuhl 20 Treppen zur U-Bahn runterfahren müssen oder regelmäßig am Bordstein kentern. Auch Farbenblinde oder Sehschwache haben mit manchen Websites so ihre Probleme -- nicht nur Behinderte übrigens.

Um den Buchstaben des Grundgesetzes zu einem Stückchen mehr Wirklichkeit zu verhelfen, tritt am heutigen Mittwoch die Verordnung Barrierefreie Informationstechnik zum Bundesbehindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Dabei geht es in erster Linie ums Web. Zwar soll die Forderung nach einem barrierefreien Internet zunächst nur für die öffentlichen Einrichtungen des Bundes gelten. Gleichzeitig verpflichtet sich die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass auch gewerbsmäßige Anbieter ihre Produkte im Internet behindertengerecht gestalten. Das Design sollte beispielsweise dem Einsatz von Screen-Readern und Vergrößerungslupen nicht im Wege stehen. Mit Sanktionen oder Geldbußen muss aber niemand rechnen.

Wirtschaftsunternehmen würden sich jedoch nur selbst einen Gefallen tun, wenn sie ihre Internet-Präsenzen nach den Richtlinien für Webinhalte des W3J-WAI (Web Content Accessibility Guidelines 1.0) ausrichteten. Denn viele Richtlinien decken sich schlicht und einfach mit den Forderungen an ein gutes und übersichtliches Web-Design. Navigationsmechanismen sind übersichtlich und schlüssig zu gestalten (Anforderung 13) und das Design sollte dem Verständnis der angebotenen Inhalte nicht im Wege stehen (Anforderung 14). Die Einhaltung der Richtlinien würde auch das Leben von Nicht-Behinderten erheblich erleichtern.

Allerdings kostet es mehr Geld, zum Beispiel Videos behindertengerecht zu untertiteln, und so sind kommerzielle Unternehmen in Sachen Internet auch nur dazu verpflichtet, den Dialog mit Behindertenverbänden aufzunehmen, auch wenn dabei nichts rauskommt. Websites der Bundesverwaltungen, die sich speziell an Behinderte richten, müssen bis Ende 2003 gemäß der neuen Verordnung umgestaltet werden. Bei den restlichen, bereits vorhandenen Websites dürfen sich die Staatsdiener bis Sylvester 2005 Zeit lassen. (ku)