Laute Proteste gegen neue Auflagen beim Jugendmedienschutz

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia will sich den Regularien nicht unterwerfen, mit denen die Politik Jugendliche vor pornografischen und gewaltverherrlichenden Darstellungen in den neuen Medien schützen will.

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Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) will sich den neuen Spielregeln der staatlichen Aufsicht, auf die sich die Chefs der Staats- und Senatskanzleien am Donnerstag bei ihrer abschließenden Beratung über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMSTV) der Länder geeinigt hatten, nicht unterwerfen. "Wir werden auf keinen Fall einen Antrag auf Anerkennung von oben stellen", erklärte Arthur Waldenberger, Vorstandsvorsitzender der FSM, gegenüber heise online. Das von Bund und Ländern bevorzugte Modell der "selbst regulierten Regulierung", das in einem Gutachten des Hamburger Hans-Bredow-Instituts näher ausgeführt wird, sei damit "im Internet vorerst gescheitert."

Der Staatsvertrag verpflichtet Anbieter von "Telemedien", Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen und lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornografischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren. Im Zusammenhang mit dem umstrittenen neuen Jugendschutzgesetz, das gleichzeitig mit dem neuen Staatsvertrag in Kraft treten soll, werden nach Ansicht der Politik Jugendliche künftig besser vor Gewaltdarstellungen im Internet, bei Computerspielen, den neuen Medien und anderen Inhaltsangeboten geschützt. Die aktuelle und angeblich endgültige Version des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, die heise online vorliegt, sieht dabei nach wie vor eine hoheitliche Zertifizierung von Einrichtungen der "freiwilligen" Selbstkontrolle vor. Das neue, die Landesmedienanstalten unterstützende Aufsichtsgremium, die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), soll demnach nur solche Institutionen anerkennen, die eine Reihe von Auflagen erfüllen. Am wichtigsten ist den Politikern, dass die Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüfer gewährleistet wird. Zudem soll "eine sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern sichergestellt" werden. Die Einrichtungen müssen eine klare "Verfahrensordnung" vorlegen sowie "Vorgaben für die Entscheidungen der Prüfer" nachweisen, "die in der Spruchpraxis einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz zu gewährleisten geeignet sind." Die FSM lehnt eine derartige Inspizierung ihrer Arbeitsweise jedoch ab. Für ihre Hauptarbeit, die freiwillige Vorabkontrolle von Inhalten durch die Anbieter, dürfe laut Waldenberger keine hoheitliche Erlaubnis erforderlich sein.

Der bereits seit langem geführte Streit um die Selbstkontrolle ist für den Lobbyisten vorläufig ausgegangen "wie das Hornberger Schießen". Die FSM werde zwar nicht wie angedroht ihre Arbeit einstellen. Schließlich hätten die Rundfunkreferenten der Länder eingesehen, dass die Anerkennungspflicht von oben nicht zwangsmäßig gegeben sein müsse. Eine Zusammenarbeit auf der im JMSTV skizzierten Basis schließt Waldenberger jedoch aus: Die FSM sei allenfalls bereit, im Rahmen des Vertragsrechts mit der KJM zu kooperieren. Andernfalls müssten die Landesmedienanstalten selbst die Weiten des Internet nach anstößigen und jugendgefährdenden Inhalten durchsuchen.

Auf Länderseite gilt der Verhandlungsspielraum dagegen bereits als ausgeschöpft. "Jugendschutz ist eigentlich eine staatliche Aufgabe", stellte Matthias Knothe, Rundfunkreferent in Schleswig-Holstein, gegenüber heise online klar. Mindestanforderungen an die Selbstkontrolle müssten gestellt werden, um die Auflagen der Verfassung zu erfüllen. Der gefundene Kompromiss sehe zudem vor, dass Entscheidungen von Selbstkontroll-Einrichtungen nur dann wieder "einkassiert" werden dürften, wenn sie offensichtlich rechtswidrig seien. Bayern hatte zunächst darauf bestanden, dass die KJM jedes Urteil der privaten Stellen aufheben können müsste. Die schon seit längerem striktere Kontrollen gewohnte Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) bekundete daher, mit dem Staatsvertrag leben zu können. Verbände aus dem Netzbereich bezweifeln allerdings, dass sich die Instrumente der Rundfunkregulierung eins zu eins auf das globale Internet übertragen lassen. Sie befürchten, dass Provider für Inhalte zur Verantwortung gezogen werden, die sie selbst nicht kontrollieren können.

Kritisch betrachtet die Einigung beim JMSTV auch der medienpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Hans-Joachim Otto. Seiner Auffassung nach ist das komplizierte Kompetenzgeflecht der Zuständigkeiten beim Jugendschutz zwischen Bund und Ländern nicht gelichtet worden. Otto will beide Seiten daher "so schnell wie möglich an einen Tisch" bringen, wo sie gemeinsam im Rahmen einer Bund-Länder-Enquete über eine neue Medien- und Kommunikationsordnung beraten sollen. (Stefan Krempl) / (jk)