Wissenschaftler gegen Urheberrechtsrichtlinie und DRM

Im Wissenschaftsbetrieb sind die Chancen für die Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle fürs Netz noch am besten, war der Tenor einer Tagung des Instituts für Philosophie der Universität Wien.

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Von
  • Monika Ermert

Gleichzeitig zu den Kollegen in Berlin erörterten Wissenschaftler auf Einladung des Instituts für Philosophie der Universität Wien drei Tage lang Gegenmaßnahmen gegen die "Bedrohung des freien Wissensaustausches im Netz" unter anderem durch das Digital Rights Management (DRM). Vorgeschlagen wurden dabei neben alternativen Distributionsmodellen im Rahmen der Open Archive Bewegung auch "Greenpeace-artige" Aktionen gegen die EU Urheberrechtsrichtlinie.

Die Konsequenzen rigoroser neuer Urheberrechtsgesetze in den USA malte Robin Gross von der Electronic Frontier Foundation aus. Gross verwies dazu unter anderem auf den EFF-Bericht "Ungewollte Konsequenzen" nach vier Jahren Digital Millenium Copyright Act (DMCA) vor. Der Bericht listet die berüchtigten Showdowns von der Felton-Klage bis zum Prozess gegen den norwegischen Studenten Jon Johansen, Mitentwickler des DVD-Kopiertools DeCSS. Johansens Prozess ist für den 9. November terminiert. Selbst der im DMCA vorgesehene Fair Use von Werken nütze dem Einzelnen nichts mehr, sagte Robin, solange er dieses Recht aufgrund von DRM-Schutzmaßnahmen gar nicht wahrnehmen kann. "Die Technologie verhindert den Zugang, und der rechtliche Umgehungsschutz verhindert, die Technologie zu umgehen. Eigentlich bräuchten wir vielmehr ein positives Recht auf Fair Use."

Ob die neuen Urheberrechtsregime, und im Gefolge deren technische Absicherung durch Entwicklungen wie Microsofts Palladium oder die Trusted Computing Platform Alliance (TCPA), umgesetzt werden, darüber waren die Referenten geteilter Meinung. Felix Stalder, Direktor des Open Source-Beratungsunternehmens Openflows und Moderator der Nettime-Mailingliste bezweifelt es. "Die Gesetze, die am häufigsten genannt werden, werden am schlechtesten befolgt." Er ist sicher, dass sich Nutzer nicht einfach zu "Prosumenten" machen lassen, sondern sich ein neues Verhältnis zwischen dem Künstler und dem Nutzer, beziehungsweise den um ihre Pfründe kämpfenden Mittelsmännern durchsetzt.

Für den Berliner Wissenschaftler Volker Grassmuck, Mitbegründer der Initiative privatkopie.net, steht "das Land Digitalien" dagegen vor der Entscheidung, ob es zur Demokratie wird, in der Rechte wie "das auf digitale Unverletzlichkeit der Wohnung und das auf Teilhabe am kulturellen Leben durch Zugang zu veröffentlichten Werken in Bibliotheken und durch die Privatkopie" den gleichen Rang erhält wie die von der Verwertungsindustrie geltend gemachten Ansprüche". Längst sei das ursprüngliche Ziel, das kreative Schaffen zu fördern, ad absurdum gekehrt. Das bestätigte auch Brian Kahin, Leiter des Center for Information Policy für den Bereich der Software-Patente.

Obwohl Robin Gross schätzt, dass weitere Verschärfungen wie der Gesetzesentwurf des US-Senators Hollings für einen einheitlichen DRM-Standard derzeit nicht populär seien, fürchten die Pessimisten eine weitere Beschneidung von Nutzerrechten durch wachsende DRM-Kontrollmechanismen. Juristen vollzögen ohnehin nur noch nach, was die Technologie vorgibt. Ein Hersteller wie Microsoft sei bei der Einführung etwa von Palladium noch nicht einmal darauf angewiesen, sich mit irgendjemandem zu einigen, so Grassmuck. Jörg-Martin Pflüger, Gastprofessor am Wiener Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung, riet daher: "Am besten kaufen Sie sich jetzt noch ein paar Computer, motten Sie die gut ein. Kaufen Sie sich ihre Lieblingssoftware, damit Sie sie dann noch nutzen können." (Monika Ermert) / (anw)