Urheberrechtsnovelle entzweit den Bundestag

Die Debatte über den umstrittenen Gesetzesentwurf zur Neufassung des Urheberrechts offenbarte die Zerstrittenheit der Parlamentarier bei Privatkopie, Pauschalvergütungen und Digital Rights Management.

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Die Bundestagsfraktionen sind sich in wesentlichen Punkten uneins über die auch bei Verbänden und Verbrauchern heftig umstrittene Urheberrechtsnovelle. Das zeigte die halbstündige Debatte des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurfs am gestrigen Donnerstag im Reichstag. Die CDU/CSU pochte auf ein stärkeres Eingehen auf die Interessen der Medienwirtschaft, die sich um ihre Verwertungsrechte im Netz sorgt; FDP und SPD lavierten irgendwo in der Mitte; allein die Grünen gaben sich dezidiert besorgt um die Zukunft der Nutzerrechte im digitalen Raum. Angesichts des allgemeinen Diskussionsbedarfs, auf den auch die Redner immer wieder anspielten, war nach der "Aussprache" nur ein Punkt klar: Das Ziel der Bundesregierung, die Novelle noch in diesem Jahr über die Bühne zu bringen, ist nicht mehr zu halten. Damit wird die kurz vor Weihnachten auslaufende Frist zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie, für die die Gesetzesänderung sorgen soll, definitiv überschritten.

Enttäuscht wurden von der Sitzung all jene, die frischen Schwung für die festgefahrene Debatte von der neuen Justizministerin erwarteten. Brigitte Zypries variierte nur minimal die letzten Aussagen ihrer Vorgängerin Herta Däubler-Gmelin zum Urheber- und Verbraucherschutz. "Selbstverständlich dürfen kopiergeschützte CDs verkauft werden", sagte die frühere Innenstaatssekretärin. "Sie müssen aber gekennzeichnet sein." Interessanterweise darf sich aber auch "jeder eine Kopie von seiner Lieblings-CD brennen". Wie das gehen soll, wo doch der Kern des Entwurfs die Etablierung eines Umgehungsverbots von Kopierschutzmechanismen darstellt und auch privaten Nutzern bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf privates Vervielfältigen zivilrechtliche Strafen drohen, ließ Zypries genauso wie ihre Vorgängerin offen.

Nach den Lippenbekenntnissen zur digitalen Privatkopie wiederholte die SPD-Politikerin die Meinung ihres Hauses, dass die Zeit noch nicht reif sei, "unser System der pauschalen Vergütung" durch Einzelabrechnungen zu ersetzen. Die nötigen Technologien zum digitalen Rechtemanagement (DRM) seien nicht ausgereift. Der Branchenverband Bitkom hatte dagegen in einer Erklärung kurz vor der Lesung noch einmal seinen Standpunkt betont, wonach "das Internet keine Pauschalabgaben" brauche. "Wir werden darüber zu verhandeln haben", zeigte sich Zypries in diesem Punkt aber doch gesprächsbereit. Dafür bleibe angesichts der Umsetzungsvorgaben der EU jedoch "nicht viel Zeit".

Das mit den Fristen sei nun eh gelaufen, entgegnete Rainer Funke, Copyright-Experte der FDP. Das "schlechte Gesetz" sollte daher "in den nächsten Wochen und Monaten gründlich" überarbeitet werden. Schließlich gehe es nicht um Peanuts, sondern um Milliardenbeträge der deutschen Medien- und IT-Industrie. Konkret sieht Funke aber auch "das Recht der Nutzer auf die Privatkopie und elektronische Pressespiegel" in dem Entwurf nicht hinreichend berücksichtigt. Die Zukunft gehört seiner Meinung nach der Individuallizenz.

Ähnlich wie Funke hält Günter Krings von der CDU/CSU das Papier für "mit heißer Nadel gestrickt". Der Abgeordnete sieht vor allem den Schutz der Informationswirtschaft angesichts des im Internet betriebenen "massenhaften Diebstahls geistigen Eigentums" und der "flächendeckenden" Verbreitung von Werkzeugen zum Umgehen von Kopierschutzmechanismen über "die Seiten bekannter Internet-Provider" und "Supermarktketten" als unterentwickelt an. So sei es eine "schwer überbietbare Naivität" der Regierung, die Rechte zur analogen Vervielfältigung 1:1 auf digitale Kopien zu übertragen. Im "Schweinsgalopp" dürfe angesichts dieser Mängel das "zentrale Marschordnungsrecht ins digitale Zeitalter" nicht festgezurrt werden.

Abgeordnete von Rot-Grün signalisierten naturgemäß in weiten Teilen Zustimmung zum Regierungsentwurf, sprachen aber ebenfalls von Diskussionsbedarf. Doch während Dirk Manzewski von der SPD laut über die Notwendigkeit nachdachte, die für "Unterricht und Forschung" sowie die für Privatnutzer geltenden Ausnahmerechte zum Kopieren "enger zu fassen", plädierte die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, für das Gegenteil. "Wir müssen dafür sorgen, dass das öffentlich generierte Wissen auch breit zugänglich gemacht wird", sagte die Politikerin. Das Recht zum privaten Vervielfältigen gehöre zu den grundlegenden Verbraucherrechten. DRM-Techniken beäugt Bettin dagegen skeptisch: Die Förderung der digitalen Vielfalt vertrage sich kaum mit einem "blinden Vertrauen in technische Lösungen". Austragen können die Abgeordneten ihre Meinungsverschiedenheiten nun in Gremien wie dem Rechtsausschuss, in den das Gesetzesvorhaben vor den dann vermutlich erst im Januar anstehenden weiteren Lesungen verwiesen wurde.

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