Open RAN: Telekom erwartet einsatztaugliche Systeme bis 2023

Die Telekom hat die Pilotphase ihres Open-RAN-Tests in Neubrandenburg abgeschlossen und berichtet von einem großen Potenzial, Rechenleistung einzusparen.

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(Bild: Sunshine Studio / Shutterstock.com)

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Petr Ledl, Leiter des Labors für Netzwerkversuche und Integration bei der Deutschen Telekom, hat ein überwiegend positives Fazit eines ersten Probelaufs mit dem offenen Mobilfunkstandard Open RAN (Open Radio Access Network) gezogen. Der Konzern habe vor Kurzem eine Pilotphase in der "O-RAN-City" Neubrandenburg inklusive eines betreuten Tests mit interessierten Teilnehmern abgeschlossen, erklärte der Techniker am Mittwoch auf dem Kongress Open RAN World in Berlin. Er rechne mit einer leistungsstarken, breit einsetzbaren Open-RAN-Lösung in der zweiten Hälfte 2023.

Für die Telekom stehe bei Open RAN im Vordergrund, den Aufbau von Netzwerken zu beschleunigen, führte Ledl aus. Dafür sei ein unabhängiges, einfach kontrollierbares Netzwerkmanagement-System wesentlich. Ein solches brauche man bei einem Wechsel des Mobilfunkstandards – wie momentan von 4G (LTE) auf 5G – nicht zu ersetzen. Daneben gehe es etwa darum, möglichst viele Aufgaben zu automatisieren, die Wertschöpfungskette zu optimieren und die Integrationskosten zu drücken.

In Neubrandenburg testet die Telekom Open RAN mit diversen Partnern aus der IT-Branche wie Intel und Dell. Herausgestellt habe sich als erstes, dass die Beteiligten "bis zu 99 Prozent" auf Open-Source-Komponenten setzen konnten. Open RAN verspricht generell, zumindest Teile der bisher von proprietärer Hardware ausgeführten Funktionen als Software zu virtualisieren und auf Standardhardware auszuführen. Dies bezieht sich etwa auf den Teil der herkömmlichen Basisstation, der die von der Antenne kommenden Signale weiterverarbeitet und ins Kernnetz leitet.

Bei 5G-Campusnetzen bietet Open RAN laut Ledl schon eine gangbare Alternative zu einer Kooperation mit klassischen Netzausrüstern wie Huawei, Ericsson, Nokia und ZTE nebst ihrer proprietären Technik. Für die Anwendung auch in der Fläche, wo gerade im ländlichen Raum Basisstationen mit hoher Leistung erforderlich seien, gebe es noch Optimierungsbedarf. Lücken bei der Energieeffizienz und der ausreichenden Auslastung müssten erst noch geschlossen werden.

Gerade für Mobilfunkanbieter wie 1&1, die virtualisierte 5G-Netze quasi auf der grünen Wiese aufbauen, sei Open RAN ideal, meinte Terje Jensen, der bei der norwegischen Telenor-Gruppe für die Netzwerkarchitektur zuständig ist. Bei arrivierten Betreibern führe die Technik zunächst zu mehr Komplexität, da sie ihre bestehende Ausrüstung anpassen beziehungsweise ersetzen müssten. Hier schließe sich das Fenster für Open RAN, das sich mit dem 5G-Ausbau geöffnet habe, schon wieder.

Interessant sei Open RAN für Telenor, da der Konzern auch auf vier asiatischen Märkten vertreten sei. Es erfordere eine hohe technische Flexibilität, die recht unterschiedlichen Netzwerkwelten zu bedienen. Der offene Standard erlaube es hier, mehr Funkanlagen quasi in eine Box zu integrieren und diese trotzdem zu verkleinern.

"Open RAN ist eine globale Realität", unterstrich John Baker von der US-Firma Mavenir, die Cloud-Software für Kommunikationsdienstleister anbietet. Auch ohne Campus-Netzwerke liefen derzeit bei über 60 Mobilfunkbetreibern gut 100 Tests. Dabei ginge es inzwischen weniger um die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern oder Kostenersparnisse, sondern auch um schnellere und größere Kontrolle über die Funktionsentwicklung.

Als Schlüsselkomponenten für ein Netzwerk mit Ausrüstung verschiedener Produzenten machte Baker offene Schnittstellen wie x2 aus, die Standardisierungsgremien wie die O-RAN-Alliance oder 3GPP vorantreiben. Um die Übertragungsgeschwindigkeiten zu vergrößern und die Latenz zu verkleinern, sei die Optimierung der Algorithmen entscheidend. Diese würden für Open-RAN-Entwicklungen zunehmend frei zur Verfügung gestellt.

Mavenir ist einer der zentralen Anbieter für Open-RAN-Software und hat jüngst ein "Exzellenz-Zentrum" bei der Telekom in Bonn eingerichtet. Dazu kommen zwei Teams bei den Kunden Telefónica in München und Vodafone in Düsseldorf. Sie sollen die deutschen Mobilfunker bei Entwicklung, Planung und Systemintegration von Open RAN unterstützen.

Viele Mobilfunkanbieter "wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen", bestätigte Gilles Garcia vom Chiphersteller AMD Xilinx. Bei Open RAN sei aber etwa noch der Einbezug der besonders komplexen Übertragungssysteme für die Nutzung mehrerer Sende- und Empfangsantennen zu bewerkstelligen. Am Ende interessiere sich niemand mehr für die zugrundeliegende Technik, solange die Betreiber diese nur in bare Münze umwandeln könnten.

Die Frage sei nicht mehr, ob sich Open-RAN-Netze bauen ließen, sondern wie sie betrieben werden, konstatierte Richard Piasentin, Chefstratege des auf Leistungsmessung spezialisierten Unternehmens Accedian. Die Latenz zu verringern, sei eine der größten Herausforderungen. Als große Hürde für Open-RAN-Implementierungen in den USA machte er aus, dass die meisten Betreiber dort kaum ungenutzte Glasfaserleitungen an den Basisstationen hätten. Diese seien gerade für das Management geteilter Ressourcen wichtig.

(vbr)