Wie Güterwagen autonom und klimaneutral werden könnten

Das Start-up Parallel Systems hat 50 Millionen US-Dollar eingesammelt, um den Schienengüterverkehr zu revolutionieren – mit KI, Akkus und Elektromotor.

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Ohne Lok, einzeln oder im Verbund.

(Bild: Parallel Systems)

Lesezeit: 3 Min.

Der Güterverkehr auf der Schiene ist klimafreundlicher als auf der Straße. Er kann große Warenmengen bewegen und erreicht sein Ziel nicht selten schneller als der Lkw-Verkehr, der auf den Autobahnen im Stau stehen muss. Doch es mangelt an Flexibilität: Zur Zusammenstellung und Trennung der Züge sind große Güterbahnhöfe und Logistikzentren notwendig. Die Anlieferung vor Ort an Gütergleise auf Industriegeländen lohnt sich aufgrund der geringen Mengen und des dafür notwendigen Lokeinsatzes oft nicht. Deshalb wird "die letzte Meile" von DB Cargo & Co. leider noch immer oft per Straße erledigt.

Das US-amerikanische Start-up Parallel Systems will hier nun Abhilfe schaffen – und den Schienengüterverkehr deutlich effizienter machen. Dazu setzt es bei der kleinsten Einheit an: dem einzelnen Güterwagen. Der soll künftig elektrifiziert und flexibilisiert werden, so dass er auf Wunsch bis zum Kunden rollen kann, ohne dass eine Zugzusammenstellung gebraucht würde. Zudem können die Wagen auch autonom unterwegs sein.

Nachdem sich Parallel Systems längere Zeit in einem Geheimmodus befand ("Stealth Mode"), gibt es nun erste Details zur Technik. Das Antriebssystem besteht aus jeweils zwei Wagen mit vier Rädern, die jeweils links und rechts unter einem Container sitzen. Diese "Wheel Units", die von weitem wie normale Drehgestelle wirken, aber nicht miteinander verbunden sind, enthalten Synchronmotoren auf Permanentmagnet-Basis. Enthalten sind zudem die Akkus. Das zulässige Gewicht ist hoch genug, um Doppelstockcontainer, wie sie in den USA im Eisenbahnbetrieb beliebt sind, zu fassen. Das soll bis zu 2,8 Mal mehr sein, als auf einen Sattelschlepper passt.

Die einzelnen Wagen lassen sich auch einzeln steuern, Züge beliebig zusammenstellen und trennen. Die maximale Reichweite soll bei stattlichen 800 Kilometern liegen, bei einem Energieaufwand von 25 Prozent eines Sattelschleppers. Eine Stromversorgung wird nur zum Aufladen benötigt, so können die Wheel Units auch auf den vielen nichtelektrifizierten Gütergleisen unterwegs sein.

In der Praxis erhofft sich Parallel Systems eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Gleisinfrastruktur. Güterzüge müssen nicht mehr so lang sein, dass sich der Transport auf der Schiene lohnt. Statt ganzer kilometerlanger Züge gehen "Platoons" (kleine Kolonnen) auf Strecke, die sich jederzeit trennen und neu zusammensetzen lassen.

Zunächst will sich Parallel Systems auf den US-Markt konzentrieren und sich dort einen Teil des 700 Milliarden Dollar schweren Kuchens des Lkw-Transportmarkts abschneiden. Noch sind die Wheel Units nur Prototypen. Nicht unproblematisch ist auch, dass viele der Güterbahnen in den USA den Eisenbahngesellschaften selbst gehören, die womöglich kein Interesse daran haben, sich Konkurrenz aufs eigene Gleis zu holen.

(bsc)