Grün gegründet (Teil 7): Farminsect lässt Insekten schnell zu Futter werden

Die Kreislaufwirtschaft lebt von neuen Ideen und kreativen Köpfen. Jeden Dienstag stellen wir hier ein Greentech-Start-up mit seiner Geschäftsidee vor.

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(Bild: Farminsect)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Manuel Heckel
  • Steffen Ermisch

Mitgründer: Thomas Kühn

Start-up: Farminsect

Gründung: Mai 2020

Mitarbeiter: 10

Sitz: Bergkirchen bei München

Geschäftsmodell: Bau von automatisierten Mastanlagen für Insekten, die Landwirte als Futter für Nutztiere verwenden, sowie Anzucht von Junglarven.

Herr Kühn, wieso dient es der Kreislaufwirtschaft, wenn Landwirte mithilfe Ihrer Anlagen Insekten heranziehen und an Nutztiere oder in Fischfarmen verfüttern?

Thomas Kühn von Farminsect

(Bild: Thomas Kühn)

Landwirte wollen, dass ihre Tiere schnell Masse aufbauen. Das geht nur mit proteinreicher Nahrung. Aktuell wird dafür vor allem Soja oder Fischmehl eingesetzt. Beides wird in der Regel importiert – vor allem aus Südamerika, wo für den Sojaanbau Regenwald abgeholzt wird. Insekten lassen sich dagegen auch vor Ort in den Ställen aufziehen. Die Insekten ernähren sich zum Beispiel von Schälresten aus der Gemüseverarbeitung, Biertreber oder auch Fallobst. Sie besitzen die Superpower, die Reststoffe in hochwertige Proteine zu verwandeln. So entstehen neue regionale Kreisläufe.

Grün gegründet: Start-ups für die Zukunft

Warum wird das noch nicht in großem Stil gemacht?

In der EU waren Insekten als Nutztiere lange verboten. Erst seit 2017 sind sieben Arten zugelassen, darunter die Schwarze Soldatenfliege, auf die wir setzen. Sie dürfen seither an Fische, Schweine und Hühner verfüttert werden. Massenweise Insekten heranzuziehen, ist allerdings nicht ganz banal – die klimatischen Bedingungen müssen genau passen. Wir haben deswegen eine Mastanlage entwickelt, die viele Schritte automatisiert.

Wie sieht das konkret aus?

Kern der Anlage sind Klimakammern, die für eine ideale Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftzufuhr sorgen. In die Kammern kommen Paletten mit Kisten in 13 Lagen. Jede Box wird zuvor mit einer Futtermischung und Junglarven gefüllt. Innerhalb von einer Woche wachsen sie zu 1,5 Zentimeter großen Larven heran und erhöhen ihr Gewicht um den Faktor 250. Ein Roboterarm entleert dann die Boxen über einem Sieb, das die Larven und den verbliebenen Kompost trennt. Die Insekten können dann entweder lebend verfüttert oder zu Pellets verarbeitet werden.

Und woher kommen die Junglarven?

Die ziehen wir selbst heran und versenden sie per Spedition. Das ist der anspruchsvollste Part und an zentraler Stelle effizienter. Die Produktionsstätte dafür haben wir im November fertiggestellt – passenderweise in einem alten Schweinestall.

In gewisser Weise ist das eine neue Form der Massentierhaltung. Gibt es ethische Bedenken?

Die Larven leben auch in einer natürlichen Umgebung geballt aufeinander, die Haltung in den Boxen ist deswegen artgerecht. Zudem geht man davon aus, dass die Insekten kein Schmerzempfinden wie Säugetiere haben. Auch Umweltorganisationen und Tierschützer begrüßen den Ansatz, weil die positiven Effekte überwiegen: Der Regenwald wird geschützt, der Überfischung entgegengewirkt und CO₂ eingespart, das sonst beim Transport von Proteinfutter entsteht.

Was sind die konkreten Vorteile für die Landwirte?

Sie machen sich unabhängiger von dem globalen Proteinfutter-Markt. Wenn sie regionale Reststoffe verwenden, ist die Mast für sie preiswerter. Unterm Strich können sie so rund ein Drittel sparen. Darin ist noch nicht einberechnet, dass sich das Insektenfutter positiv auf die Tiere auswirkt. So kann der Antibiotika-Einsatz reduziert werden, weil die Larven natürliche Antibiotika in Form von Peptiden enthalten, die Erreger töten.

Wo stehen Sie aktuell geschäftlich?

Finanziert sind wir über Wagniskapital: Im vergangenen Jahr sind in einer siebenstelligen Finanzierungsrunde neben anderen der Hightech-Gründerfonds und Bayern Kapital bei uns eingestiegen. Unser Pilotkunde ist ein großer Fischzüchter hier in Bayern. Wir haben uns zunächst darauf konzentriert, die Anlage technisch zu optimieren. Inzwischen sind wir bei Generation sechs. In diesem Jahr wollen wir fünf bis sechs Anlagen bei Kunden aufstellen und unsere Aufzucht erweitern. Das Potenzial ist noch riesig, außer in Europa sehen wir auch in Nord- und Südamerika einen riesigen Markt.

(jle)