Nach US-Asean-Gipfel: Von der indopazifischen Strategie Washingtons bleibt nicht viel

Die Regierung Biden will ein Gegengewicht zu China bilden. Bislang ist eine entsprechende Initiative nur wenig überzeugend

Die chinesische Tageszeitung Global Times hat unlängst eine politische Karikatur anlässlich des US-Asean-Gipfeltreffens in Washington am 12. und 13. Mai veröffentlicht. Sie zeigte US-Präsidenten Joe Biden, der die Asean-Vertreter in einem vorbeifahrenden Bus um Hilfe bittet, um seinen Kampfpanzer anzuschieben, der hoffnungslos im Matsch und Schlamm versinkt.

Bidens Panzer freilich ist auf dem Weg nach China.

Die Karikatur illustriert den verzweifelten Versuch der USA, die Asean-Länder auf ihre so genannte indopazifische Strategie einzuschwören, mit der sie den Einfluss Chinas eindämmen wollen.

Die Asean-Länder leben vom Handel, doch Washingtons obsessiver Fokus liegt auf Sicherheit und diplomatischen Druck. Und dieses Missverhältnis verhindert, dass die indopazifische Strategie an Fahrt gewinnt.

Das Gipfeltreffen war ein entscheidender Moment für die Asean-Staats- und Regierungschefs. Auch in Folge des Treffens nun werden sie sehen, ob Biden etwas in Sachen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Handel, Investitionen usw. etwas zu bieten hat oder ob er die regionale wirtschaftliche Integration der Asean-Region weiterhin China überlassen wird.

M. K. Bhadrakumar ist ein ehemaliger indischer Diplomat. Seine Artikel erscheinen in dem Blog Indian Punchline.

Im Jahr 2021 hatte Chinas Handel mit den Asean-Ländern ein Volumen von 878,2 Milliarden US-Dollar erreicht und damit den Handel der USA mit den Ländern der Allianz bei Weitem übertroffen; er lag nach den letzten verfügbaren Zahlen für 2021 bei 362 Milliarden US-Dollar.

Es wurde nicht erwartet, dass der Gipfel substanzielle Veränderungen bringt. Biden legt Wert auf seine Symbolik. Er hofft, die führenden Asean-Vertreter davon überzeugen zu können, dass die indopazifische Strategie selbst zu einem so schicksalhaften Zeitpunkt, an dem in Europa ein Krieg tobt, sein Herzensanliegen bleibt.

Zweifellos hofft Biden, beim Thema Ukraine bei den Asean-Vertretern voranzukommen und mit ihnen eine Koalition gegen Moskau zu schmieden. Doch die Asean-Mitgliedsstaaten haben unterschiedliche Ansichten zur Ukraine.

Myanmar auf der einen Seite unterstützt Russland, während Singapur die Sanktionen Washingtons gegen Russland instinktiv befürwortet. Vietnam und Laos, die seit der Sowjetzeit enge Beziehungen zu Moskau unterhalten, enthielten sich bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung über die Verurteilung Russlands.

Die Asean-Länder sind vorwiegend besorgt über den Anstieg der Kosten für Öl, Gas, Getreide und Düngemittel aufgrund des Konflikts in der Ukraine. Und sie fordern daher eine diplomatische Lösung der Krise.

Washingtons Bitten, Russland von den G-20-, Ostasien- und Apec-Gipfeltreffen in diesem Jahr auszuschließen, wurden von den Gastgeberländern (Jakarta, Phnom Penh und Bangkok) ignoriert.

Washingtons Darstellung der Ukraine-Krise als Konfrontation zwischen Demokratie und Autokratie trifft in Südostasien auf wenig Verständnis, wo hybride Formen des Autoritarismus weit verbreitet sind, mit Ausnahme von Indonesien und Malaysia.

Die Asean-Länder wollen in erster Linie keine weitere bipolare Weltordnung. Sie wollen auch nicht in den Machtkampf zwischen den USA und China verwickelt werden. Außerdem ist Russland eines der wenigen Länder, die den Asean-Staaten Verhandlungsmasse bei für Gestaltung der jeweiligen Beziehungen zu den USA und China bietet.

Es wird interessant sein zu sehen, ob Biden die Asean-Staats- und Regierungschefs dazu zwingen wird, ihre Waffenkäufe aus Moskau zu reduzieren oder ihnen mit Sekundärsanktionen gegen russisches Öl zu drohen. Vietnam, Myanmar, Malaysia und Indonesien haben in erheblichem Umfang militärische Ausrüstung von Russland bezogen.

Grundsätzlich haben die USA in Ermangelung einer soliden Wirtschafts- und Handelsstrategie kaum Möglichkeiten, dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region entgegenzuwirken. Die Regierung Biden ist nicht bereit, neue Freihandelsabkommen auszuhandeln. Die Öffnung des US-amerikanischen Marktzugangs wird angesichts der starken protektionistischen Tendenzen als politisch gefährlich angesehen.

Die Asean hingegen befürwortet die Möglichkeiten des Freihandels. Sie verhandelt derzeit über ein Freihandelsabkommen mit Kanada, und ihre Mitglieder gehören dem Umfassenden und fortschrittlichen Abkommen für die Transpazifische Partnerschaft (CPTPP) sowie der Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (RCEP) an.

Beijing sogar einen Antrag auf Mitgliedschaft in der CPTPP gestellt, während es durch die RCEP eine stärkere Integration mit der Asean anstrebt. Auch bei den Infrastrukturinvestitionen liegen die USA weit hinter China zurück. Washington hat eine Build-Back-Better-World-Initiative ins Leben gerufen, um Pekings Belt-and-Road-Initiative entgegenzuwirken, aber dabei bleibt es bisher bei Versprechungen.

Das Indo-Pacific Economic Framework, das im Februar als Teil der US-Strategie für den indopazifischen Raum angekündigt wurde, wird die Asean-Staaten kaum überzeugen. Für die Länder dieses Staatenbundes ist China der bei Weitem größere Markt. Sie werden sich nicht dazu überreden lassen, eine von China völlig abgekoppelte Lieferkette aufzubauen.

Der singapurische Premierminister Lee Hsien Loong sagte, Südostasien wolle "nicht zwischen China und den USA wählen". In der Tat ist die Asean bestrebt, sowohl mit Washington als auch mit Beijing positive Beziehungen zu unterhalten.

Das Paradoxe daran ist, dass es zwar eine strategische Übereinstimmung zwischen einigen Asean-Ländern und den USA in Bezug auf den Aufstieg Chinas geben könnte, aber auch eine Divergenz in Bezug auf die Ansätze der USA - insbesondere Washingtons Ziele, dem Aufstieg Chinas durch den Aufbau einer von den USA geführten Sicherheitsordnung, die Asean untergraben könnte, und durch den Einsatz von Sanktionen in seinem diplomatischen Instrumentarium entgegenzuwirken.

Die indopazifische Strategie sieht die Entwicklung einer "freien" und "offenen" Region vor, die durch starke Bündnisse und Partnerschaften gestützt wird. Solche Ziele verlocken die Quad, die gerne versucht, den Aufstieg Chinas zu steuern. Die "Quad" sind der sicherheits- und militärpolitisch ausgerichteten Zusammenschluss der USA, mit Australien, Indien und Japan.

Die Interessen der Asean stehen jedoch denen der Quad-Gruppe entgegen, wenn es um ihren Wunsch (und die Notwendigkeit) nach einem stärkeren wirtschaftlichen Engagement mit Beijings sowie ihr Streben nach umfassender Zusammenarbeit geht.

Auch in diesem Bereich hat Beijing eine Alternative zu einer von den USA geführten Sicherheitsordnung vorgelegt, als es auf dem jüngsten Boao-Forum für Asien seine Globale Sicherheitsinitiative vorschlug, die sich auf Prinzipien wie das der unteilbaren Sicherheit konzentriert.

In Bezug auf das Südchinesische Meer waren von dem Gipfel in Washington die üblichen Einlassungen über die Einhaltung des Völkerrechts, des UN-Seerechtsübereinkommens und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten zu erwarten.

Aber auch hier ist fraglich, inwieweit die Asean davon überzeugt ist, dass die USA ihre zentrale Rolle in der regionalen Sicherheitsarchitektur wirklich respektieren.

Ein neuer Faktor ist derweil der Wahlsieg von Ferdinand Marcos Jr. zum nächsten Präsidenten der Philippinen. Seine Kandidatin Sara Duterte ist die Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte, der geschickt einen Mittelweg zwischen Peking und Washington gefunden hatte, indem er sich den Versuchen der USA widersetzte, die Spannungen im Südchinesischen Meer zu verschärfen, und sich stattdessen dafür entschied, mit Peking bei territorialen Streitigkeiten zusammenzuarbeiten und hochrangige Kommunikationskanäle mit Peking zu Themen von beiderseitigem Interesse offenzuhalten, einschließlich direkter Kontakte mit Präsident Xi Jinping.

Marcos Jr. geschworen, ein bilaterales Abkommen mit China zu unterzeichnen, um das Problem im Südchinesischen Meer zu lösen. Die Glückwunschbotschaft von Xi Jinping an Marcos deutet darauf hin, dass Peking offenbar die Gelegenheit wittert, die Beziehungen zu Manila wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Wenn die Philippinen und China ihre Zusammenarbeit vertiefen und den Streit um das Südchinesische Meer endlich beilegen, wird dies den asiatisch-pazifischen Raum erschüttern, die Bemühungen der USA um eine Militarisierung der südostasiatischen Region untergraben und Bidens Indo-Pazifik-Strategie selbst hoffnungslos obsolet machen.

Interessanterweise haben die Philippinen, die in der Vergangenheit der engste regionale Verbündete der USA waren, nicht am Washingtoner Gipfel teilgenommen. Sie begründen dies mit dem politischen Wandel in Manila.

Während seiner gesamten sechsjährigen Präsidentschaft hat Duterte die USA nicht ein einziges Mal besucht.