Scheiße macht jung: Mit Transplantationen des Darminhalts rückt die Jugend näher

Erhalten alte Mäuse Stuhl-Transplantationen von jungen Tieren, wird nicht nur ihr Darm gesünder. Sie denken auch schneller und können wieder besser sehen.

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Rentner "Harold" (bekannt aus zahlreichen Memes) möchte auch im Alter noch fit bleiben. Stuhl-Transplantationen könnten helfen, wenngleich sie bisher ausschließlich bei Mäusen im Labor einen Effekt zeigten.

(Bild: StockLite/Shutterstock.com)

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Wenn wir älter werden, versteckt sich ständig der Hausschlüssel, die Arme werden zu kurz für das Entziffern der Speisekarte und das üppige Festtagsmahl beschert einem unruhige Stunden in der Fliesenabteilung. Das klingt zwar humorig, ist aber leider der Anfang immer stärker werdender Alterserscheinungen. Aus den Zipperlein werden irgendwann chronische Krankheiten, die die Lebensqualität massiv einschränken. Die Anti-Aging-Industrie sucht seit langem nach den Schrauben, mit denen sie den Alterungsprozess umkehren – oder zumindest so weit verlangsamen können, dass die Lebensqualität im Alter noch stimmt.

Forschende des britischen Quadram Instituts und der University of East Anglia haben nun anscheinend ein Schräubchen gefunden, mit dem sich die Lebensuhr ein Stück zurückdrehen lässt. Sie konnten zeigen, dass die Darmmikrobiota – also die Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Pilzen und Viren, die unseren Darm bewohnt und früher Darmflora genannt wurde – großen Einfluss auf das Altern hat.

Etwa zwei Kilogramm Mikroorganismen leben in unserem Darm. Sie helfen nicht nur bei der Verdauung der Speisen, die wir essen, sondern wehren Krankheitserreger ab, steuern das Immunsystem, versorgen uns mit Vitaminen und beeinflussen unsere sportliche Leistungsfähigkeit. Sie bestehen aus 1.000 bis 2.000 verschiedenen Bakterienarten. Etwa 300 finden sich bei jedem Menschen, aber die Zusammensetzung der Gemeinschaft ist ebenso individuell wie ein Fingerabdruck – mit dem Unterschied, dass Fingerabdrücke sich nicht verändern, die Mikrobiota durchaus.

Sie wird inzwischen mit diversen Krankheiten in Verbindung gebracht: chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Allergien, Adipositas, Diabetes und Depressionen oder auch Demenz haben zumindest Unterstützer im Darm. Die Mikrobiota des Darms hat zudem eine Verbindung zum Gehirn. Die sogenannte "Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse". Ob Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikroorganismengemeinschaft Krankheiten auslösen oder ob sich die Gemeinschaft verändert, weil der Körper krank ist, ist bislang noch nicht geklärt.

Klar ist jedoch, dass die Mikrobiota sich mit zunehmendem Alter verändert. Sie altert sozusagen mit. Diese alternde Bakteriengemeinschaft zieht die Funktionsfähigkeit des Darms in Mitleidenschaft. Die Darmwand wird porös, Entzündungen entstehen und werden chronisch. Die Hypothese der Forschenden aus Großbritannien: Durch die direkte Verbindung der Darmbewohner mit dem Zentral-Nervensystem über die Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse hat diese alternde Mikrobiota direkten Einfluss auf Entzündungen im Gehirn und der Netzhaut und damit auf typische Zeichen der Alterung.

Um den Zusammenhang zwischen den Lebewesen im Darm und dem Alterungsprozess zu erforschen, haben sie den Mäusen über drei Tage einen Mix aus verschiedenen Antibiotika verabreicht. Sie wollten möglichst viele Bakterien im Darm der Tiere abtöten und so Platz für die neue Mikrobiota schaffen.

Dann haben sie sehr alten Mäusen eine Aufschlämmung aus dem Kot sehr junger Tiere verabreicht und umgekehrt. Die jeweils neuen Darmbewohner haben sich in den Mäusen etabliert und die Forschenden konnten beobachten, wie sich ihre Stoffwechselwege angepasst haben: Der Transfer der gealterten Spender-Mikrobiota in junge Mäuse hat deren zentrales Nervensystem altern lassen. Außerdem haben sie Entzündungen in der Netzhaut ausgelöst und die Signalübertragung verlangsamt, so dass sie schlechter sehen konnten.

Bei den alten Tieren, die die Mikrobiota der jungen Mäuse erhielten, kehrten sich diese Effekte jedoch um. Die alten Tiere fanden sich besser in einem Labyrinth zurecht als zuvor und ihre Sehkraft verbesserte sich.

Wie lange dieser Effekt anhält, ob sich die Mikrobiota wieder an das tatsächliche Lebensalter des Darms anpasst und wo die Ursachen dieses Effektes liegen, untersuchen die Forschenden bereits in Folgestudien. Und natürlich wollen sie wissen, ob sich diese Effekte auf Menschen übertragen lassen, denn – und das ist der Hintergrund dieser Studien – sehr ähnliche Stoffwechselwege laufen auch im Menschen ab und auch die menschliche Darmmikrobiota verändert sich im höheren Lebensalter stark. Am Quadram Institute entsteht derzeit ein Studienzentrum, das genau diese Frage beantworten soll.

(jsc)