Fahrbericht​ Ford E-Transit: Überzeugender Übergang zum Elektroantrieb

"Transit" bedeutet "Übergang". Das Traditionsmodell unter den Transportern macht selbst einen solchen – zum E-Antrieb. Der ist Ford sehr überzeugend gelungen.

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Unauffälliger kann man kaum Elektroauto fahren. Aber bei Nutzfahrzeugen kommt es auf andere Qualitäten an. Die bietet der Ford e-Transit reichlich.

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 7 Min.
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  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Der Elektroantrieb lässt sich nicht mehr aufhalten, das gilt inzwischen auch für Nutzfahrzeuge. Nach Kastenwagen- und Hochdachkombivarianten befindet sich mit den Transportern im Sprinter-Format nun das nächstgrößere Segment in seiner Elektrifizierungsphase. Ford, ein Hersteller mit einem weit überdurchschnittlich hohen Marktanteil im Bereich leichter Nutzfahrzeuge, kommt relativ spät mit einer entsprechenden Version seines Klassikers "Transit", der allerdings macht einen äußerst ausgereiften Eindruck.

Wir fuhren die knapp sechs Meter lange Ausführung als 4,25-Tonner mit maximal 1720 Kilogramm Nutzlast und hatten das Gefühl, dass dieses Auto schon immer mit Elektroantrieb fuhr und kein von Verbrennungsantrieb umgerüsteter Transporter ist. Und das, obwohl das große Auto "lediglich" mit dem Basisantrieb mit 135 kW und 430 Nm ausgestattet war. Allerdings hatte der mit dem leeren Transporter auch leichtes Spiel.

Ford e-Transit E-Antrieb (4 Bilder)

Der Elektroantrieb bildet mit der Einzelradaufhängung eine Einheit, die als kompletter Fahrschemel an den Rahmen geschraubt wird. Die schwarze Stange vorn ist der Querstabilisator, links und rechts sind die massiven Schräglenker und dahinter in der Mitte der Elektromotor zu erkennen.
(Bild: Florian Pillau)

Wer weiß, dass er mehr Leistung benötigt, bekommt wahlweise sogar 198 kW und zwar mit dem gleichen maximalen Drehmoment. Der vergleichbare elektrische Renault Master Z.E. eignet sich mit 57 kW und 33 kWh nur für die Innenstadt, der Mercedes eSprinter beispielsweise bietet nur 85 kW und mit 55 kWh maximal 168 Kilometer Reichweite, Peugeot e-Boxer oder der baugleiche Fiat e-Ducato 90 kW und 79 kWh. Der Movano-e des Traditionsrivalen Opel bietet ebenfalls 90 kW, mit 70 kWh bis zu 224 Kilometer Reichweite.

Um den Transit zu elektrifizieren, wurde er – auch das ist anders als bei den klassischen Konkurrenten – auf Heckantrieb umgerüstet. Das umfasst außer dem Motor allerdings gleich noch einen kompletten Fahrschemel mit einzeln aufgehängten Hinterrädern anstelle der sonst verwendeten durchgehenden Achse mit Blattfedern als einziger Radführung. Davor erstreckt sich bis knapp auf Höhe der B-Säule das flache Batteriepaket. Sowohl der Antrieb als auch die Batterie kosten Platz. Dazu musste der Ladeboden um rund (je nach gewähltem Bodenbelag) vier Zentimeter angehoben werden, was die Gesamtladehöhe verschlechtert. Im Vergleich zu den konventionell angetriebenen Transits bleiben die Innenraummaße allerdings unverändert. Um den Nachteil beim Be- und Entladen des Fahrzeugs wenigstens teilweise zu kompensieren, will Ford eine Luftfederung zum Absenken der Ladefläche anbieten.

Beim Einstieg auf den Arbeitsplatz fällt sofort auf, dass Ford konsequent alles der Ergonomie unterordnet. Albernheiten wie das unten abgeflachte Lenkrad im VW Crafter (Test) verkneift sich der Hersteller, nichts spiegelt oder blendet. Für Kurier-Express-Paket-(KEP)-Fahrer im urbanen Kurzstrecken-Lieferdienst ist der Fahrersitz ideal, Autobahnkuriere hingegen würden sich noch eine etwas längere Sitzfläche wünschen. Ablagen gibt es, wohin man blickt, auch oberhalb der Windschutzscheibe, viele davon mit Stromanschlüssen, sogar unter dem Fahrersitz, wo auch die 12-Volt-Batterie untergebracht ist, kann man schnell etwas ablegen.

Ford E-Transit Fahrerplatz (11 Bilder)

Am  Fahrerplatz ordnet sich alles der Ergonomie unter.
(Bild: Florian Pillau)

Ein Fach in der Fahrertür ist mit einem "kein Mobiltelefon"-Aufkleber bestückt, was mich kurz zögern ließ, das Smartphone genau dort abzulegen. Den Grund kann man gegenüber sehen, das Fach wird nämlich bei geschlossener Tür oben vom Armaturenbrett verdeckt. Ein dort steckendes Telefon würde man beim Zuschlagen der Tür glatt in der Mitte durchbrechen. Instrumente und Bediensystem sind klar ablesbar und ihre Funktionen weitgehend selbsterklärend. Gut für ihren Seelenfrieden, dass die allermeisten Fahrer eines Ford Mustang nicht wissen, dass im Transit Wählhebel und Bedienelemente baugleich sind. Das Lenkrad unterscheidet sich nur in einem Punkt von dem im Mustang – und zwar positiv: Ihm fehlen zum Glück die bei Sonneneinstrahlung blendenden Auflagen aus Blechimitat.

Aber nicht nur diese Details haben die Autos gemeinsam: Der hintere Antrieb und die wassertemperierten Akkus mit brutto 77 kWh (netto 68) sind ebenfalls vom elektrischen Sportwagenmodell mit dem legendären Namen und dem so unverständlich wenig gewürdigten historischen Erbe abgeleitet. Aber das nur nebenbei. Nach dem WLTP berechnet sich eine elektrische Reichweite von bis zu 317 Kilometern. Ein komplett geleerter Akku soll mit dem serienmäßigen Wechselstromladegerät (16 A, max. 11,3 kW) in acht Stunden zu füllen sein, am Gleichstromlader lässt er sich von 15 auf 80 Prozent mit 115 kW Gleichstrom in 34 Minuten bringen.

Ford E-Transit Laderaum (8 Bilder)

Nichts Auffälliges im Laderaum ...
(Bild: Florian Pillau)

Größere Akkus wären durchaus unterzubringen, seien nach den Anforderungen der anvisierten Kundengruppen aber nicht sinnvoll, sagt Dr. Christian Weingärtner, Fords neuer Vertriebs-Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Rightsizing also, und zwar im Sinne von einem breitbeinigen "klar hätten wir das noch größer machen können". Doch würden die bei der Zuladung sensiblen Kunden dann ständig einen unnötig schweren Akku spazierenfahren.

Das Fahren ist ein Kinderspiel, man muss allerdings gut aufpassen, nicht zu schnell zu werden. Denn erstens beschleunigt der Transit gut, leer sogar sehr gut. Dazu lässt einen nicht nur die Lautlosigkeit des Antriebs, sondern auch der sänftengleiche Komfort, mit dem das Fahrwerk dank Einzelradaufhängung lautlos die Unebenheiten verarbeitet, langsamer fühlen als man tatsächlich fährt – und das bereits bei leerem Kasten! Dazu kommt eine Lenkung, die frei von Antriebseinflüssen ein unerwartet gutes Gefühl für die Fahrbahn vermittelt. Erst bei 130 km/h regelt der Antrieb ab. Schneller fährt kein vergleichbarer elektrischer Kastenwagen.

Ford E-Transit außen (5 Bilder)

Von außen unterscheidet den Transit nichts ...
(Bild: Florian Pillau)

Insgesamt bietet der E-Antrieb dadurch einen großen ergonomischen Mehrwert für die Angestellten (im KEP-Betrieb natürlich auch den betroffenen Anwohnern) und ist so gesehen ein zusätzliches Sicherheitsplus. Fahrspur-, Notbrems-, Seitenwind- und Scheinwerferassistent sind Serie, optional gibt es unter anderem einen Tempomaten, Regensensor, Parkpilot und einen Spurhalte-Assistenten.

Einen Ford e-Transit Ford mit mittlerem Radstand (als 3,30 Meter langen "L2") gibt es für 55.845 Euro, mit 198 kW kostet er 2125 Euro mehr. Wer will da noch einen Fiat e-Ducato für 57.000 Euro mit den erwähnten 90 kW und lediglich 47 kWh-Batterie kaufen? Zieht man die aktuelle Innovationsprämie von 7500 Euro ab, kostet der e-Transit nur rund 7000 Euro mehr als der mit dem Dieselmotor. Dafür bietet er deutlich günstigere Unterhaltskosten. Ford spricht bei Wartung und Reparaturen über 180.000 km von rund 40 Prozent, bei Strom und Sprit ist das zwar abhängig vom Tagespreis, zur Zeit aber mit eindeutiger Tendenz. Der Testwagen kostet nackt 66.456, die gefahrene Version inklusive Ford Sync4 Navigation, Parkpilot, Fahrspurassistent, Tempomat, Klimaautomatik, Sitz-Paket und einigem mehr dann schon 73.209 Euro.

Elektroantrieb wird gerade auch für Camper interessant, das Branchenschwergewicht Hymer (mit seinen Marken Buccaneer, Bürstner, Carado, Crosscamp, Compass, Dethleffs, Elddis, Eriba, Etrusco, Hymer, Laika, LMC, Niesmann+Bischoff, Sunlight und Xplore) wird künftig statt des Fiat Ducato den Ford Transit als Basis für seine Wohnmobile nutzen.

(fpi)