Netzneutralität: EU-Parlament skeptisch bei Kostenbeteiligung von Big Tech

Angesichts der Pläne von Kommission und Rat, "Big Tech" an den Kosten der Netzbetreiber zu beteiligen, bringt das EU-Parlament die Netzneutralität ins Spiel.

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EU-Parlament

(Bild: dpa, Jean-Francois Badias/AP)

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Das Europäische Parlament stemmt sich gegen den Versuch von EU-Kommission und den Regierungen der Mitgliedsländer, marktmächtige Internetkonzerne wie Meta oder Amazon für die Nutzung der Netze zur Kasse zu bitten. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) will einen entsprechenden Passus in der Strategie der Kommission für "Europas digitale Dekade" ändern.

In dem Strategiepapier skizziert die Kommission ihren Plan "für einen erfolgreichen digitalen Wandel Europas bis 2030". In einen Abschnitt über die Versorgung aller EU-Bürger mit Gigabit-Internet hatte der Rat der Mitgliedsstaaten eine Ergänzung eingebracht, dass "große Inhalteplattformen für die Nutzung der digitalen Infrastruktur der Netzbetreiber einen fairen und angemessenen Beitrag zu den Kosten" leisten sollten.

Damit kommt der Rat einer alten Forderung der Netzbetreiber nach. Seit Jahren fordern die europäischen Carrier, dass sogenannte "Over the top"-Anbieter (OTT) sich an den Kosten beteiligen müssen. Sie wollen an beiden Enden des Kabels eine Rechnung stellen. Gemeint sind vor allem die großen US-Unternehmen, die ihre digitalen Geschäftsmodelle auf der Infrastruktur der Netz gründen: Social Media, Messenger, Streaming- oder Cloud-Dienste.

Bisher waren die Telcos damit bei der Politik abgeblitzt. Doch angesichts der jüngsten Bestrebungen der Kommission, Europa gerade im Digitalen unabhängiger von den marktmächtigen US-Riesen zu machen, fallen die Forderungen in Brüssel auf fruchtbaren Boden. Die Kommissionsvizepräsidentin Margrete Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatten sich zuletzt offen für eine Beteiligung von Big Tech ausgesprochen.

Das Parlament hält dem nun die Netzneutralität entgegen. Der Innenausschuss hat in seinem Kompromissvorschlag den direkten Bezug auf die Kosten der Netzbetreiber gestrichen und schlägt vor, "adäquate Rahmenbedingungen" zu schaffen, sodass "alle Marktakteure, die vom digitalen Wandel profitieren, ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und zu einem wettbewerbsfähigen und funktionierenden Umfeld für öffentliche Güter, Dienste und Infrastrukturen zum Nutze aller Europäer beitragen".

Der Ausschuss bevorzuge diese Formulierung, weil sie "den Prinzipien der Netzneutralität besser Rechnung tragen", sagte eine Sprecherin der EU-Abgeordneten Martina Dlabajová gegenüber Euractiv. Das Gebot der Netzneutralität stelle sicher, dass alle den gleichen Zugang zu Infrastrukturen erhalten und jede Art von Traffic gleich behandelt wird. Die Debatte wird dann wohl in die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament eingehen.

Auf einen Konflikt mit dem Prinzip der Netzneutralität hatte zuvor die Computer & Communications Industry Association (CCIA) hingewiesen. Der US-Verband vertritt zahlreiche der von einer möglichen "Internet-Steuer" betroffenen Unternehmen. "Alleine die Idee, einige Onlinedienste zur Kasse zu bitten, andere aber nicht, ist per Definition diskriminierend", betont CCIA-Vertreter Christian Borggreen.

(vbr)