Long Covid: Protein-Ablagerungen im Gehirn wie bei Alzheimer oder Parkinson

Forschende haben in Tieren mit Long Covid-Symptomen ähnliche Veränderungen gefunden wie bei schleichenden neurologischen Erkrankungen.

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(Bild: Shutterstock)

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Fatigue, Depression, kognitiver Abbau – das sind die Anzeichen des Post-COVID-19-Syndroms – oder auch Long Covid. Es erwischt die Betroffenen erst mehrere Wochen nach der Infektion und wie es entsteht, ist nach wie vor ein Rätsel.

An der Tierärztlichen Hochschule Hannover haben nun Forschende entdeckt und in "The Lancet" publiziert, dass sich eine Infektion mit SARS-CoV-2 direkt auf das Gehirn auswirkt: Proteine der Nervenzellen verändern ihre Struktur, nachdem die Infektion längst ausgeheilt ist. Beim Zusammenbau werden die Proteine falsch gefaltet – ein Effekt, der bisher von Alzheimer- und Parkinson-Patienten bekannt ist. Die Forschenden haben so genannte Plaques beobachtet, Proteinschichten, die die Funktion der Nervenzellen behindern und so zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen bei den Betroffenen führen. Neben der Erschöpfung sind es diese Störungen, die Long Covid-Patienten so zu schaffen machen.

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Gleichzeitig beobachteten die Veterinäre, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 Immunzellen des Gehirns aktiviert. Unser Gehirn ist einer der am besten geschützten Bereiche unseres Körpers. Unter anderem sorgt die Blut-Hirn-Schranke dafür, dass nur ausgewählte Stoffe aus unserem Blutkreislauf in das zentrale Nervensystem übergehen können. Sie schirmt unser Gehirn vor Krankheitserregern, Gift- und Botenstoffen ab. Aber wie jedes Sicherheitssystem hat auch das des Gehirns seine Schwachstellen. Eine Lücke, die Viren wie beispielsweise Influenza-, FSME-, Dengue- oder Herpesviren nutzen, ist unser Geruchssinn.

Ob SARS-CoV-2 tatsächlich ins Gehirn gelangt und auf welchem Weg, ist zwar noch nicht geklärt, aber da bis zu 67 Prozent der COVID-19-Erkrankten neurologische Symptome zeigen, scheinen die Corona-Viren die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die neurologischen Symptome können kognitive Störungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Depressionen, Angstzustände, Gangstörungen und allgemeine Müdigkeit sein. Manchmal überdauern die Symptome die akute Infektion, manchmal treten sie erst Wochen später neu auf.

Einige Viren gelangen ins Gehirn, indem sie über die Riechschleimhaut den Riechnerv infizieren und dann im Nerv zum Gehirn wandern. Die einzelnen Riechfäden des Nervs laufen durch eine durchlöcherte Knochenplatte des Schädels – die sogenannte Siebplatte – zum Riechkolben. Der gibt die einlaufenden Signale an das Gehirn zur Verarbeitung weiter. Diese Stelle ist eine der wenigen Lücken in der Blut-Hirn-Schranke. Hier passt das Immunsystem besonders gut auf und produziert Botenstoffe, die das weitgehend vom Rest des Körpers abgekoppelte Immunsystem des Gehirns aktivieren.

Ein wichtiger Baustein dieses Gehirn-Immunsystems sind Mikrogliazellen. Die Forschenden aus Hannover haben nun beobachtet, dass dieser Zelltyp nicht nur kurzfristig auf die Infektion mit SARS-CoV-2 reagiert, sondern, dass die Zellen – zumindest bei ihren Versuchstieren – noch 14 Tage lang aktiv bleiben, nachdem die eigentliche Infektion bereits ausgeheilt ist.

Analyse der Gehirnschnitte am Mikroskop: Anna-Sophia Hartke, Prof. Dr. Franziska Richter Assencio, Cara Schreiber und Christopher Käufer, PhD (vlnr).

(Bild: Kristina Lau)

Mit den Anzeichen von Long Covid stellen sich dann auch fehlgefaltete Proteine im Gehirn ein. Besonders die Großhirnrinde ist betroffen und defekte Alpha-Synuclein- und Tau-Proteine erschweren den Nervenzellen die Datenweiterleitung.

Den Vergleich mit den neurodegenerativen Erkrankungen Alzheimer und Parkinson ziehen die Forschenden, weil auch bei Long Covid nur eine bestimmte Hirnregion betroffen ist und nicht das gesamte Gehirn. Die selektive Empfindlichkeit einzelner Hirnregionen sei charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen, so die Studienleiterin Franziska Richter Assencio. Und die Fehlfaltungen bei Alpha-Synuclein und Tau könnten die lang anhaltenden Symptome erklären. Sollte sich dieser Verdacht in weiteren Studien bestätigen, wäre das einer der ersten Ansätze für eine konkrete Medikamentenentwicklung gegen Long Covid.

(jsc)