"Negatives Bild von Leitmedien ist doch nicht unsere Schuld"

Albrecht Müller bei einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, 2012. Bild: Sir James, CC BY 3.0

Albrecht Müller über Vorwürfe gegen sein Portal Nachdenkseiten, die Polarisierung der Medien und darüber, wie bundespolitische Netzwerke in die Debatte eingreifen

Herr Müller, Wir haben für dieses Interview eine Arbeit des Projektes "Gegneranalyse" zu Ihrem Portal, den Nachdenkseiten vorliegen. Das Projekt "Gegneranalyse" ist bei einem Thinktank mit dem Namen Institut Liberale Moderne angesiedelt, darüber sprechen wir später noch. Der Autor Markus Linden von der Universität Trier kommt in seinem Papier zu dem Schluss, Sie betrieben ein "Querfront-Medium". Wie haben Sie diese Studie wahrgenommen? Ich gehe ja davon aus, dass Sie sie gelesen haben.

Albrecht Müller: Ich muss gestehen, dass ich sie nicht ganz gelesen habe, weil sie nur schwer lesbar ist. Der Autor stellt lauter Behauptungen auf, die nicht belegt werden. Und das auf 20 Seiten voller Anmerkungen, das ist wirklich eine schwere Zumutung, zumal eine schräge Behauptung auf die nächste folgt. Ich halte diese sogenannte Studie daher für ein wirkliches Machwerk. Am meisten stört mich dabei, dass es steuerfinanziert ist, dass ich also als Steuerzahler in Rheinland-Pfalz das mitfinanziere, was ein Professor in Trier, also auch in Rheinland-Pfalz, auftragsgemäß zu Papier gebracht hat.

Sprechen wir über die Inhalte. Es heißt in dieser Arbeit, bei den Nachdenkseiten, die jetzt schon einige Jahre online sind, handele es sich um einen "stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium". Nehmen Sie diese Kritik an?

Albrecht Müller: Was ist denn ideologisiert? Da fängt es schon an. Wegen solcher unscharfen Begriffe habe ich Schwierigkeiten, diesen Text zu lesen. Ich stolpere schon über diesen ersten Punkt: Was ist ein ideologisches Medium? Gleiches gilt für den Vorwurf der undifferenzierten Argumentation. Weshalb sollen wir uns diese Etiketten anheften lassen?

Wir haben jeden Tag 200.000 Besucher und diese Besucher, die die Nachdenkseiten finanzieren und diese Behauptung offenbar überhaupt nicht teilen. Sie lesen die Nachdenkseiten gerne, schätzen sie und fördern sie, weil sie uns für differenziert halten, weil sie uns für faktenbasiert halten. Wie soll ich da ernsthaft solchen Behauptungen des Autors Markus Linden begegnen?

Er kommt ja noch zu anderen Schlüssen. Es heißt ja auch im weiteren Verlauf des Textes, sie folgten einer "Destruktionslogik, die als kritische Dekonstruktion ausgegeben" werde. Wo fängt für Sie denn, Herr Müller, die Destruktion an, wo hört die Dekonstruktion auf?

Albrecht Müller: Ich kann diese Frage schwer beantworten, wenn sich mir die Begriffe nicht erschließen? Was soll denn eine Destruktionslogik sein, außer einer Wortschöpfung eines Auftragsschreibers. Dennoch möchte ich an einem Beispiel klarmachen, wie der Vorwurf, wir seien fundamentale Systemkritiker, einzuordnen ist, weil das ausgemachter Quatsch ist.

Es gibt sehr engagierte Leserinnen und Leser der Nachdenkseiten, die immer mal wieder kritisieren, dass wir Markt und Wettbewerb für sinnvolle Instrumente der Organisation unserer Volkswirtschaft halten. Das gilt vor allem für die Ökonomen in unserer Redaktion, also für meinen Kollegen Jens Berger und für mich. Wir sind in diesem Sinne also überhaupt keine Systemkritiker, das wird uns schlichtweg unterstellt.

Oder wo sind wir destruktiv? Auch hier ein Beispiel aus der Vergangenheit. Alle Hauptmedien in Deutschland sind der Erzählung nachgelaufen, wir hätten ein demografisches Problem und deshalb müssten wir unsere Altersvorsorge verändern und durch die Riesterrente ergänzen.

Wir haben von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, dass diese Riesterrente eine Totgeburt ist und dass sie uns überhaupt nichts bringen wird. Und dass auch die Erzählung von der Demographie, von der demografischen Katastrophe Unsinn ist.

Wir waren also nie destruktiv in diesem Bereich. Destruktiv war die gesamte andere Medienwelt, die diesen Unsinn in Endlosschleife wiederholt hat. Auch ZDF und ARD haben diese sinnfreien Thesen einfach nachgequatscht. Die waren doch destruktiv!

Wir haben konstruktiv von vornherein gesagt: Leute, stärkt die Gesetzliche Altersvorsorge, bringt neue Elemente dort rein, finanziert das ein wenig besser, vor allem die systemfremden Leistungen, die die Altersvorsorge bringen. Also eine rein konstruktive Position der Nachdenkseiten. Und dann kommt so ein Professor und behauptet das Gegenteil. Sie verstehen, welche Zumutung ich darin sehe?