Meta verbietet Angestellten Austausch über Abtreibungsrecht in den USA

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshof zum Abtreibungsrecht in den USA hat für Unruhen gesorgt. Meta hat seinen Angestellten interne Diskussionen verboten.

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San Francisco, Kalifornien, USA, 14. Mai 2022, Frauen protestieren verkleidet in Uniformen aus der Verfilmung "The handmaid's tale" gegen strengere Abtreibungsgesetze

(Bild: Suzette Leg Anthony/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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Um "ein feindliches Arbeitsumfeld" zu vermeiden, untersagt der US-Konzern Meta seinen Angestellten, die am Freitag bekannt gewordene Supreme-Court-Entscheidung zu Abtreibungen in den USA im internen Firmen-Netz zu diskutieren. Würde Abtreibung "offen diskutiert", könnte dies Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufwühlen und agitieren.

Der Konzern betreibt die bekannten Plattformen Facebook, Instagram und Messenger. Er vertritt schon seit früheren Diskussionsprozessen unter Angestellten, die für ihn negativ verliefen, eine verschärfte Kontrolle von Gesprächsinhalten. Zu dieser Entscheidung habe unter anderem der Fall des von der US-Polizei ermordeten George Floyd, aber auch die Fälle von Whistleblowern unter den Angestellten, wie etwa Frances Haugen, beigetragen, schreibt die New York Times.

Demnach habe das Unternehmen im Jahr 2020 interne Kommunikationsrichtlinien aktualisiert, um Unruhen und Streitigkeiten unter Beschäftigten einzudämmen. Letzteren wurde mitgeteilt, dass sie auf unternehmensweiten Kanälen wie etwa dem Message-Board "Workplace" keine politischen oder sozialen Themen mehr diskutieren dürften.

Interne Diskussionen gelangten etwa nach dem Mord an George Floyd im Sommer 2020 zum Teil an die Öffentlichkeit und deckten die Unzufriedenheit von Angestellten mit der Haltung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu umstrittenen Postings auf. Dieser verteidigte, einen als gewaltverherrlichend verstandenen Tweet vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump auf den Plattformen stehenzulassen.

Die Abtreibungs-Diskussion habe Meta schon vor einigen Wochen auf die Liste derjenigen Themen gesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr in großen Gruppen sichtbar diskutieren sollen. So habe ein Firmenmemo vom 12. Mai darauf aufmerksam gemacht, dass die vorher noch erlaubten offenen Diskussionen über Abtreibungen zu "erheblichen Störungen am Arbeitsplatz" geführt hätten. Deshalb habe sich das Unternehmen entschieden, eine offene Diskussion nicht mehr zuzulassen. Mitarbeitende, die mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs besonders zu kämpfen hätten, sollten etwa eher in Einzelgesprächen oder nur in kleinen Gruppen von "gleichgesinnten Kollegen" den Austausch suchen.

Wie Betroffene gegenüber der New York Times schilderten, würden Nachrichten, die gegen die Richtlinie in Team-Chats verstießen, schnell entfernt. Angestellte sollen sich zudem auf anderen Plattformen über die interne Richtlinie Luft gemacht haben. So habe ein Angestellter über LinkedIn offen kritisiert, dass Meta Diskussionen über die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verbiete und entsprechende Nachrichten schnell gelöscht würden. Gespräche seien nur in Gruppen mit höchstens 20 Kollegen möglich.

In Reaktion auf die Entscheidung des Obersten Gerichts habe Meta am Freitag allerdings intern erklärt, dass es Reisekosten für Angestellte erstatten würde, die einen "Zugang zu außerstaatlicher Gesundheitsversorgung und reproduktiven Dienstleistungen benötigen" – soweit dies rechtlich zulässig sei. Das Unternehmen würde mit diesem Schritt also unterstützen, dass Angestellte im Ausland oder anderen US-Bundesstaaten eine Abtreibung vornehmen lassen.

Der Oberste Gerichtshof der USA hatte am Freitag das bisher liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Gerichtshof machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze in den Bundesstaaten frei – bis hin zu kompletten Verboten.

Was genau gilt, wird von den einzelnen Staaten der USA abhängen. Einige Staaten hatten sich schon auf die Entscheidung vorbereitet. In Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Louisiana sind Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gibt es in der Regel nur für medizinische Notfälle.

Eine Reihe liberaler Staaten hat hingegen angekündigt, das Recht auf Abtreibungen weiter schützen zu wollen. US-Präsident Joe Biden kündigte ebenfalls Maßnahmen an, um die Rechte der Frauen zu schützen.

Der US-amerikanische Autor Stephen King kommentierte die Entscheidung mit den Worten "Welcome to The Handmaid's Tale" (Willkommen zum Report der Magd). Er spielte damit auf eine dystopische Zukunftsvision in dem gleichnamigen Buch von Margaret Atwood an, in der fruchtbare Frauen nicht mehr über ihren Körper bestimmen dürfen und auch nach Vergewaltigungen Kinder austragen müssen. Eine Realität, die das neue Abtreibungsrecht in den USA nun tatsächlich ermöglicht. Für Frauenrechte protestierende Menschen in den USA nutzen dementsprechend häufiger die Kostüme der Serie "The Handmaid's Tail", um auf die Parallelen der Dystopie und den aktuellen politischen Positionen hinzuweisen.

Während in den USA das Abtreibungsrecht bis zu einem kompletten Verbot verschärft wurde, kippte in Deutschland die Ampel-Koalition mithilfe der Linken im Bundestag das sogenannte "Werbeverbot" für Schwangerschaftsabbrüche. Der 1933 in Kraft getretene Paragraf 219a wird gestrichen. Er sieht bislang Geldstrafen und Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vor für jene, die öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche und mögliche Methoden aufklären.

Mit der Streichung werden alle Urteile gegen Ärztinnen und Ärzte, die auf Basis des Paragrafen seit 1990 ergangen sind, aufgehoben. Dies betrifft unter anderem die deutschlandweit bekannte Gießener Ärztin Kristina Hänel, die sich seit Jahren für sichere Abtreibungen und entsprechende Informationen für Betroffene einsetzt. Sie war erstmals 2017 verurteilt worden, weil sie auf ihrer Webseite Informationen zu Abtreibungsmethoden anbot.

Bundeskanzler Scholz (SPD) erklärte auch mit Blick auf die USA, "Frauenrechte sind bedroht. Wir müssen sie konsequent verteidigen". CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert hingegen die kommende Streichung des Paragraf 219a. Er sieht damit den "gesellschaftlichen Frieden" gefährdet, den aus konservativer Sicht die bisherigen "strafrechtlichen Regelungen über den Schwangerschaftsabbruch in diesem Land für Jahrzehnte" gewahrt hätten.

(kbe)