Sturm aufs Kapitol: Trump, der Brandstifter

Wie man die USA nicht groß, aber gefährlich macht: Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss belasten den früheren Präsidenten schwer.

Eine Szene wie aus einer TV-Serie à la Homeland oder Gotham: Der Präsident der Vereinigten Staaten greift vom Rücksitz des gepanzerten Präsidentenfahrzeugs ins Steuer, um den Fahrer, einen Leibwächter des Secret Service, dazu zu bringen, zum Kapitol zu fahren, wo sich eine aufgebrachte Menge versammelt hat. Später wird eine bewaffnete Meute das Kapitol stürmen. Was hatte Trump vor? Wollte er auch dort eine Rede halten? Die Menge beruhigen oder sie, da es sich um seine Anhänger handelte, unterstützen?

Geschildert wurde die Szene gestern von einer Mitarbeiterin des Weißen Hauses. Cassidy Hutchinson sprach als Überraschungszeuge vor dem Ausschuss zur Untersuchung der Vorgänge am 6. Januar 2021. "Ich bin der f…g Präsident, fahren Sie mich jetzt zum Kapitol", soll Trump wörtlich zu dem Sicherheitsbeamten gesagt haben, der sich gegen das riskante Unterfangen ausgesprochen hatte. Wütend sei Trump gewesen und bar der Vernunft, "irate", wie Hutchinson dem Ausschuss erzählte. Der Fahrer fuhr zurück zum Westflügel des Weißen Hauses.

Vor diesem Vorfall, bei dem Trump nach den Worten Hutchinsons seinem Leibwächter sogar an den Hals gegangen ist, hatte der damalige US-Präsident eine Rede bei einer Kundgebung im Ellipse-Park in Washington gehalten. Von dort aus wollte er zum Kapitol. Angeblich waren ihm dort zu wenig Unterstützer.

"Lass meine Leute rein"

Auch dazu berichtete Hutchinson von einer Szene, die ein Schlaglicht auf Trump wirft. Er soll den Sicherheitsleuten dort gesagt haben, dass sie die Metalldetektoren an den Absperrungen entfernen sollen. Sie waren aufgestellt, um Waffen kenntlich zu machen. "Sie sind nicht hier, um mir Schaden anzutun", habe Trump gesagt und: "Nehmt die verdammten Mags weg. Lasst meine Leute rein. Sie können von hier aus zum Capitol marschieren."

Die Teilnehmenden der Trump-Kundgebung sollen laut Sicherheitsbehörde Pfefferspray, Messer, Schlagringe, Taser und stumpfe Gegenstände bei sich gehabt haben. (Ergänzung: Laut Secret-Service-Agent Tony Ornato hätten die Anhänger Trumps auch "Pistolen und andere Waffen", wie auch an "Fahnenmasten aufmontierte Speere" dabei gehabt.)

Cassidy Hutchinson sagte unter Eid vor dem Ausschuss aus, das ist keine Kleinigkeit. Die Sitzung in voller Länge ist hier zu sehen. Laut New York Times hat Trump ihre Darstellung des Vorfalls im Auto bestritten, auch Vertreter des Secret Service kündigten an, dass sie in den kommenden Zeugenaussagen die Aussage widerlegen wollen.

Machtkampf

Dass der Ausschuss einen Machtkampf hinter den Kulissen widerspiegelt, ist beim Auftritt von Cassidy Hutchinson nicht zu übersehen. Sie war Mitarbeiterin von Mark Meadows, dem Stabschef des Weißen Hauses unter Donald Trump. Meadows selbst wurden im vergangenen Dezember strafrechtliche Maßnahmen angedroht, weil er nicht genügend mit dem 6. Januar-Ausschuss kooperierte.

Die einzigen beiden Abgeordneten aus der Partei der Republikaner, die in dem Ausschuss vertreten sind, sind Liz Cheney und Adam Kinzinger. Beide stimmten auch für das Impeachment-Verfahren gegen Trump.

Auch beim Ausschuss geht es darum, handfestes Material zu haben, um ein gerichtliches Verfahren gegen Trump einzuleiten. Das würde seine Wiederwahl verhindern. Zwar zeigt man sich im Ausschuss mit Mehrheit der Demokraten zuversichtlich, dass dies gelingt, doch sind, wie man aus Erfahrung weiß, derart schwere Anschuldigungen, wie sie gegen Trump erhoben werden, gerichtlich nicht einfach durchzusetzen.

Macht ist alles, Demokratie ein Hindernis

Geht es nach den Aussagen, die Hutchinson gestern machte, so bestätigen sich klar und deutlich die Vorwürfe, die man Trump schon seit langem macht. In der Hauptsache: Dass er über die Gewaltbereitschaft der Extremisten im Bilde war, offenbar sind auch Namen bestimmter Gruppen wie Oath Keepers und Proud Boys im Weißen Haus gefallen.

Dass er seine radikalen Anhänger, die teilweise schwer bewaffnet waren und die für demokratische Institutionen nichts oder nicht viel übrig haben, sie im Gegenteil eher verachten, instrumentalisieren wollte, um an der Macht zu bleiben, obwohl er abgewählt worden war – und zwar in korrekter Durchführung der Wahlen, wie es eine Menge Gerichtsurteile später bestätigten, was wiederum ihm und seinen Anhängern wenig gilt.

Hutchinsons Aussagen liefern in ihrer Gänze viel Material dafür, dass Trump vor dem Sturm aufs Kapitol wusste, was im Gange war – und sie bestätigen des Weiteren, wie hart und bitter Trump mit den Regierungsmitarbeitern umging, die auf elementare demokratische Grundlagen der Politik pochten wie etwa Mike Pence. Aus Gesprächen im Weißen Haus gehe hervor, dass sich Trump nicht hörbar gegen das Ansinnen der Meuten ausgesprochen habe, wonach man Pence hängen sollte, der sich gegen Trumps finstere Methoden wandte, sich der Abwahl zu widersetzen.

Cassidy Hutchinsons Auftritt sei ein historischer, schreibt die New York Times. Allerdings liest man in deren Bericht auch die Bezeichnung zu den außergewöhnlichen Zeugenaussagen: "fly-on-the-wall anecdotes".

Die Mitarbeiterin berichtet lediglich von Gesprächen im Weißen Haus, von dem, was sie gehört hat, was ihr von wichtigen Persönlichkeiten zugetragen wurde. Das bietet Angriffsflächen in einem Verfahren.

Wähler der Republikaner

Wie sich in Umfragen zeigt, haben die Anhörungen bislang wenig Einfluss auf die Wähler der Republikaner. Laut CBS/YouGov-Umfrage von letzter Woche verfolgen zwar sieben von zehn Demokraten die Anhörungen "einigermaßen oder sehr aufmerksam", aber nur ein Viertel der Republikaner und weniger als die Hälfte der Unabhängigen.

Nur 13 Prozent der Republikaner glauben, dass Trump versuchte, sich mit illegalen Methoden im Amt zu halten

Und während 80 Prozent der Demokraten der Meinung sind, dass der Ausschuss am 6. Januar empfehlen sollte, Trump wegen Verbrechen anzuklagen, sind 44 Prozent er Unabhängigen dieser Meinung und nur acht Prozent der Republikaner.

NPR

Wie es aussieht, haben die Republikaner große Chancen, die Mehrheit bei den Midterm-Wahlen zu gewinnen. Damit wachsen auch die Chancen, dass Trump erneut Präsident wird und das Leben in Amerika gefährlicher (Sind die USA auf dem Weg zum Unrechtsstaat?).