Taiwan: Demokratisches Kleinod der USA

Nancy Pelosi mit Präsidentin Tsai Ing-wen beim Treffen in Taiwan. Foto: Büro der Präsidentin/CC BY 2.0

War Pelosis Besuch die Aufregung wert oder ist Taiwan nun mehr gefährdet als zuvor?

Trotz aller Aufregung, Drohungen und Kritik, Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, ist in Taiwan gewesen. Die altgediente Führungsfigur in der Demokratischen Partei nutzte ihren Besuch auf der kleinen Insel, um der Regierung in Taipeh und dem Rest der Welt "unmissverständlich klarzumachen, dass wir unsere Verpflichtung gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden". Längst ist sie weitergeflogen. Aber noch immer wird die Motivation für ihren Besuch und dessen direkte politische Folgen diskutiert.

Die Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas sehen es nie gerne, wenn ranghohe US-Politiker den Weg auf die kleine Insel vor ihren Küsten wagen. Deshalb ist es vonseiten der USA üblich, ein solches Reisevorhaben möglichst kurzfristig bekannt zu geben. Das hat Pelosi nicht getan, folglich hatte ganz Washington-DC Zeit, sich eine Meinung zu ihren Reiseplänen zurechtlegen, während Beijing eine ganze Liste an Drohungen zusammenstellte, von denen nun einige wahrgemacht werden.

Wahrscheinlich hat niemand bei klarem Verstand Beijings Drohung ernst genommen, man würde Pelosis Flugzeug durch die eigene Luftwaffe an der Landung hindern. Die militärischen Drohgebärden gegenüber Taiwan allerdings waren hingegen sehr real. Damit stellt sich die unvermeidliche Frage: War Pelosis Besuch die Aufregung wert oder ist Taiwan indessen mehr gefährdet als zuvor?

Für den Staat, der nur von 13 anderen Nationalstaaten und dem "Heiligen Stuhl" als souverän anerkannt wird, bedeutet der Besuch einer ranghohen US-Politikerin wie Pelosi eine wichtige Form der Legitimation, auch wenn der vereinbarte Kanal für Beziehungen zwischen der USA und Taiwan eigentlich das American Institut in Taiwan ist.

Dementsprechend warm wurde die Nancy Pelosi auch von der taiwanesischen Bevölkerung empfangen. Ob allerdings der Besuch einen Bruch mit der US-Politik der "strategischen Ambiguität" bedeutet, ist mehr als fraglich, denn "Speaker of the House", Nancy Pelosi, spricht nicht für Präsident Joe Biden.

Laut BBC schickte Biden sogar inoffiziell Berater, "um Pelosi vor den Risiken ihres Besuchs in dieser für China politisch heiklen Zeit zu warnen". Auf Präsident Xi Jinping kommt im November ein wichtiger Parteikongress zu und zudem steht er innenpolitisch unter erheblichem Druck, weshalb er es sich nicht leisten kann, schwach zu wirken.

Ergo, der US-Präsident war eventuell nicht unbedingt von den Reiseplänen seiner Parteikollegin begeistert. Noch am 28.07.22 behauptete die Sprecherin des Weißen Hauses, Jean-Pierre, es gäbe "keine öffentliche Meinungsverschiedenheit". Die Entscheidung zu reisen sei der ‚Speaker of the House‘ überlassen.

Im Zentrum der Machtpolitik

Amerikas "One China"-Politik habe sich nicht geändert. Das klang gewohnt "mehrdeutig", also im Einklang mit der bisherigen China-Strategie der USA. Dass die Reaktionen auf Pelosis Besuch auch in den nächsten Tagen und Wochen gewohnten Rahmen bleiben, ist zu hoffen, für alle Beteiligten, besonders die taiwanesische Bevölkerung.

Die Spannungen zwischen den USA und China hatten bereits vor geraumer Zeit zugenommen, auch in Bezug auf Taiwan, aber immer vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. Nun ist, dank Nancy Pelosi, Taiwan selbst in das Zentrum der Machtpolitik geraten.

Schon einmal, vor mehr als 30 Jahren, verärgerte die US-Abgeordnete die chinesische Regierung, als sie auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein Transparent zu Ehren der 1989 bei den Unruhen getöteten Dissidenten entrollte. Eine persönliche Aktion, die Politico als "the making of a progressive hawk" beschreibt.

Nun ist die Abgeordnete aus San Francisco, mit 82 selbst im Vergleich zu ihren Kollegen in der US-Legislative etwas in die Jahre gekommen, und langsam zu alt für den Job als "Vorsitzende". Außerdem dürfte der altgedienten politischen Strategin bewusst sein, dass dieses Amt nach den Wahlen im November mit einiger Wahrscheinlichkeit einem Republikaner zufallen dürfte.

Gut möglich also, dass Pelosi Besuch in Taiwan eher der Manifestierung ihres politischen Erbes diente und weniger ein wohlüberlegtes politisches Manöver war.

Auch wirtschaftliche Interessen stehen im Raum, ist Taiwan doch der größte Hersteller von Mikrochips und die USA ein wichtiger Abnehmer. Sogar als Privatperson scheint Pelosi wirtschaftliches Interesse an dieser Industrie zu haben.

Ein Sturm an Reaktionen

Ob nun persönlicher, geschäftlicher oder politischer Natur, Pelosis Besuch löste einen Sturm an Reaktionen von allen Seiten aus. Die Aggressionen Chinas gegenüber Taiwan ließen nicht lange auf sich warten.

Am vergangenen Donnerstag, den 04.08.22, feuerte China elf ballistische Raketen in die Nähe taiwanesischer Häfen. Das Abfeuern der Raketen ist "nur" Teil eines groß angelegten militärischen Manövers, ihr Einsatz könnte aber laut Financial Times auch als eine Art Botschaft an die USA gedacht sein.

Die ballistischen Dongfeng-Raketen gehören zu den stärksten Waffen der Volksbefreiungsarmee. Dazu gehört die Anti-Schiffs-Mittelstreckenrakete DF-21, die als Mittel zur Abschreckung der US-Marine und ihrer Flugzeugträger-Kampfgruppen in strategisch wichtigen Gebieten in der Nähe Chinas angesehen wird.

Financial Times

Zusätzlich zu den militärischen Manövern Chinas, die nicht nur die Insel abschotten, sondern auch internationale Lieferketten unterbrechen, hat China auch "ökonomische Maßnahmen" gegen Taiwan angekündigt. Zu den vom chinesischen Handelsministeriums angekündigten Maßnahmen gehört eine Aussetzung der Ausfuhr von Natursand nach Taiwan, – der wichtigsten Komponente für die Herstellung von Halbleiterchips.

China bestraft also Taiwan, droht den USA zwar, verschont den wichtigen Handelspartner aber sonst vor Sanktionen. Für die US-Regierung gibt es demnach keinen zwingenden Grund, ihre offizielle Linie zu ändern. Im Gegensatz hat sich trotz aller Begeisterung für die US-Abgeordnete, die Lage der taiwanischen Bevölkerung nicht unbedingt verbessert.

Auch deshalb herrscht auch aufseiten der USA nicht unbedingt Einigkeit über Pelosis Entscheidung, den Trip trotz aller Widerstände zu wagen.

Einige sahen Pelosis Trip ängstlich entgegen, waren aber der Meinung, nach der Ankündigung desselben gäbe es kein Zurück mehr, es sei denn, man wolle die politische Glaubwürdigkeit der USA in diesem Teil der Welt riskieren. Ob die engsten US-Verbündeten in der Region, Japan und Südkorea, sich nun sicherer fühlen, ist zu bezweifeln.

Auf der letzten Station ihrer Fünf-Nationen-Reise traf Pelosi mit dem japanischen Premierminister Fumio Kishida zusammen, der die chinesischen Raketenstarts verurteilte und ein sofortiges Ende der Militärübungen forderte.

Kurz darauf feuerte China fünf Raketen in von Japan beanspruchte Gewässer. Außerdem sagte China ein bilaterales Treffen auf Außenministerebene mit Japan ab, das am Donnerstag in Kambodscha stattfinden sollte. Dies geschah offenbar aus Protest gegen eine Erklärung der G 7 und der EU, in der die Übungen der Volksbefreiungsarmee vor Taiwan kritisiert wurden.

Der Präsident Südkoreas, der ansonsten den USA so zugewandte Yoon Suk-yeol, vermied es, Pelosi während ihres Aufenthalts auf der koreanischen Halbinsel zu treffen. Russland hingegen drückte seine Unterstützung für die aktuelle chinesische "Außenpolitik" aus.