Energieminister der Länder: Strommarktreformen und Schuldzuweisungen

Die hohen Energiepreise sorgen für Druck auf Land und Bund. Die Energieminister der Länder kommen heute zusammen und schlagen teils größere Reformen vor.

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(Bild: Fernando Avendano/Shutterstock.com)

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Die hohen Gaspreise treiben den Strompreis. Unter anderem das möchten die Energieminister der Länder schnell entkoppeln. An diesem Mittwoch kommen sie in Hannover zusammen, um über den weiteren Umgang mit der Energiekrise zu sprechen.

Der niedersächsische Energieminister Olaf Lies (SPD), dessen Land momentan den Vorsitz der Runde hält, erklärte vorab: "Wir brauchen dringend eine Lösung, damit wir eine Entlastung bekommen." Die teils "absurd hohen" Preise vor allem beim Strom machten dies nötig. Vorstellbar sei aus seiner Sicht unter anderem die von vielen geforderte Verringerung der Stromsteuer oder eine Reform der Netzentgelte. Darüber müsse man sprechen. Klar machte Lies aber auch, dass ein Eingriff nicht sofort eine große Entlastung brächte. "Solche Punkte würden den Strompreis aktuell wohl nur unwesentlich drücken", schätzt er.

Für ihn sei wesentlich wichtiger, dass Deutschland ein neues "Strompreissystem" erhalte. So müsse etwa die traditionelle Kopplung von Gas- und Strompreis abgeschafft werden. Auch müssten die Netze "intelligenter" werden.

Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt (Grüne) verlangt hingegen eine rasche Reform der Verteilnetzentgelte. Eine Neuregelung sei hier überfällig, sagte er in Kiel: "Wir erwarten von der Bundesregierung, dass das Thema zügig angegangen wird." Aus Sicht Goldschmidts ist das bisherige System ungerecht, weil es Regionen mit wenig Menschen und viel Erzeugung erneuerbarer Energie wie Schleswig-Holstein gegenüber solchen mit vielen Menschen und viel Stromabnahme im Süden benachteilige.

Konkreter teilte er Richtung Bayern aus: "Es ist ein Unding, dass für Energiewendesaboteure wie Seehofer, Söder und Co niedrigere Strompreise gelten als für Länder, die verantwortungsvoll im Sinne des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit handeln."

Die von einigen Ministern angemahnte Neuordnung des Strommarktes und andere Eingriffe könnten den Unterschied zwischen verschiedenen Regionen bei Stromerzeugung, dem Ausbau mit erneuerbaren Energien und dem Ausbau der Netze stärker sichtbar machen. Gerade beim Netzausbau haben in der Vergangenheit südlich gelegene Bundesländer Schwierigkeiten gemacht. So wurde etwa das Projekt "Südlink" um Jahre verzögert. Genau das müssen nun alle Bundesbürger mitbezahlen – auch, weil Deutschland momentan noch eine einzige Stromgebotszone ist. Gebotszonen sind geografische Gebiete in Europa, in denen ein einheitlicher Großhandelsstrompreis gilt.

Netzbetreiber Tennet erklärt genauer, was ACER vorgeschlagen hat. Für Deutschland wurden zwei bis vier neue Gebotszonen angedacht.

(Bild: Tennet)

Auf EU-Ebene wird allerdings schon länger diskutiert, dass Deutschland in verschiedene Stromgebotszonen aufgeteilt werden müsste. Im Gespräch sind laut der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) zwei bis vier Zonen. Gebotszonen sollen sich laut einer EU-Verordnung unter anderem an den strukturellen Engpässen im Übertragungsnetz orientieren. Netzbetreiber Tennet rechnete im August allerdings noch damit, dass eine Rekonfiguration der Gebotszonen erst 2027 oder später umgesetzt werden könnte.

Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) machte vor der Zusammenkunft weiter Werbung für einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland. Er warf dem Bund vor der Konferenz erneut schwere Versäumnisse vor: "Deutschland steuert sehenden Auges auf eine Strom- und Versorgungslücke zu." Die Bundesregierung lasse zu viele Chancen ungenutzt, um die aktuelle Energiekrise in den Griff zu bekommen, so der bayerische Vize-Ministerpräsident. Er fordert neben einer schnellen Senkung der Strompreise auch eine rasche Entscheidung zur Bestellung von neuen Brennstäben, damit die Stromversorgung auch im Winter 2023/2024 gesichert sei.

TransnetBW erklärt, welche Leistung Südlink übernehmen sollte. Auch macht der Netzbetreiber darauf aufmerksam, wo Stromverbräuche, aber auch Stromerzeugung ausgeprägter sind.

(Bild: TransnetBW)

Trotz des zunächst versicherten Strommangels, möchte Aiwanger auch auf den schnellen Ausbau von Wasserstofftankstellen hinwirken und möchte ein bundesweites Wasserstoffleitungsnetz. Die Produktion von Wasserstoff gilt als sehr energieintensiv. Zudem will Aiwanger weniger Auflagen für Biogas-Anlagen, mehr Photovoltaik-Stromerzeugung und einen leichteren Wechsel für Unternehmen bei ihren Energieträgern weg vom Gas.

Olaf Lies hat nach den Ergebnissen des Stresstests für den Strommarkt des Bundeswirtschaftsministeriums Verständnis für den vorgeschlagenen Reserve-Betrieb für die verbliebenen Atomkraftwerke, gibt aber zu bedenken: "Wir müssen aufpassen, dass es nicht darum geht, Brennstäbe bloß mit Gewinn zu verstromen oder gar weitere Brennstäbe zu beschaffen." Die Linie des Bundeswirtschaftsministeriums scheint er hiermit zu unterstützen.

Die Ergebnisse der Länderrunde sollen am Nachmittag vorgestellt werden. An der Pressekonferenz nehmen die Minister Niedersachsens und Bayerns, Lies und Aiwanger, Baden-Württembergs Ministerin Thekla Walker (Grüne) sowie der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, teil.

(kbe)