Ethereum: Kontroverse um neues Konzept für umkehrbare Transaktionen

Immer wieder kommt es zu spektakulärem Klau vom Kryptogeld. Forscher haben sich daher überlegt, wie man bei Ethereum Transaktionen reversibel machen könnte.

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(Bild: Filippo Ronca Cavalcanti/Shutterstock.com)

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Ein Forschungsteam der Universität Stanford hat einen Vorschlag unterbreitet, wie sich auf der Ethereum-Blockchain Transaktionen umsetzen lassen, die man rückgängig machen kann. Das Konzept sieht dabei die Einführung von zwei neuen Token-Standards vor, ERC-20R und ERC-721R, in Anlehnung an die bestehenden Standards ERC-20 und ERC-721. Eine Transaktion mit nach diesen neuen Standards erzeugten Tokens solle sich binnen eines bestimmten Zeitfensters von etwa drei Tagen rückgängig machen lassen, bevor sie dann unumkehrbar wird. Tokens sind durch Blockeintrag erzeugte Einheiten, die bestimmte Werte oder Rechte repräsentieren können.

Ein Grundprinzip der Blockchain-Technik ist, dass einmal erfolgte Einträge in die verteilte Datenbank nicht mehr einfach rückgängig gemacht werden können. Das bedeutet bei einer Kryptowährung, dass Nutzer im Falle eines Diebstahls oder wenn sie bei einer Zahlung versehentlich eine falsche Adresse oder einen zu hohen Betrag angeben, im Regen stehen. Das Geld ist weg. Beziehungsweise: woanders.

Die einzige Möglichkeit ist bislang, dass sich die Teilnehmer eines Blockchain-Netzwerks mehrheitlich darauf einigen, künftig eine alternative Version der Blockchain als die gültige anzunehmen, in der bestimmte Transaktionen nicht passiert sind. Einen solchen Konsens in einem dezentralen System herzustellen, ist aber nicht trivial. Es besteht immer das Risiko, dass Teilnehmer nicht mitziehen und es zu einer Spaltung der Blockchain kommt, bei der künftig zwei voneinander unabhängige Varianten weiterlaufen.

Bei dem Vorschlag gehe es explizit nicht darum, Ethereums native Währung Ether oder auch bereits bestehende Tokens zu ersetzen, betonte Kaili Wang aus dem Forschungsteam in einem längeren Twitterthread. Die zahlreichen, massiven Diebstähle machten es aber nötig, Kryptowährungen Features für mehr Schutz und Nutzerfreundlichkeit hinzuzufügen.

Die Rückabwicklung einer Transaktion könne dann dem Konzept nach in einer Art Zivilprozess stattfinden. Ein zum Beispiel bestohlener Nutzer könne sich innerhalb der Frist beim Governance Contract des Tokens mit Beweisen für den Diebstahl melden und eine Einlage zahlen. Dann obliege es einem wie auch immer besetzten "dezentralen Gerichtshof", darüber zu entscheiden, ob die besagten Tokens in einem ersten Schritt eingefroren werden.

Sofern die Richter für einen Freeze entscheiden, werden die betroffenen Tokens gesperrt. Die Streitparteien sollen dann Gelegenheit haben, Beweise vorzulegen – und die Richter müssen entscheiden, ob die Tokens zurücküberwiesen werden oder nicht. Weitere Details finden sich im Paper des Forschungsteams.

Wang betonte aber, dass es ein noch unvollständiger Vorschlag sei, der zu Debatten und neuen Ideen anregen solle. In der Krypto-Szene sorgte der Vorschlag in der Tat für kontroverse Reaktionen. Der ehemalige Kryptographie-Professor und jetzige Chef der Kryptowährung Avalanche Emin Gün Sirer sprach etwa von einer großartigen Idee und verwies auf ein ähnliches Konzept, das er zusammen mit anderen Kryptografen entwickelt hatte.

Andere konnten dem gar nichts abgewinnen. Der Entwickler Matthew Di Ferrante erklärte, Smart Contracts würden solche reversiblen Tokens wahrscheinlich gar nicht erst akzeptieren und könnten solche plötzlichen Rücküberweisungen erhaltener Tokens auch kaum verarbeiten.

Andere Kritiker wie der in der Szene unter dem Twitter-Namen FatManTerra bekannte Blockchain-Forscher kritisierten das Modell des dezentralen Gerichtshofs. Der öffne Tür und Tor für Korruption, Manipulation und betrügerische Zurücküberweisungen. Eine Funktion, um Diebstähle rückgängig zu machen, wäre sicher großartig. Allerdings sei das Problem innerhalb einer Blockchain schwer bis unmöglich zu lösen.

(axk)