Glasfaser und Förderung: Bundesnetzagentur verordnet erstmals offenen Netzzugang

Die Regulierungsbehörde hat mit der Netcom Kassel einen Betreiber zu einem Open-Access-Angebot für einen Konkurrenten bei einem geförderten Netz verdonnert.

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(Bild: SHARKstock/Shutterstock.com)

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Nach dem geltenden Rechtsrahmen müssen Netzbetreiber, die für den Breitbandausbau staatliche Fördermittel genutzt haben, grundsätzlich alle Arten von aktiven und passiven Zugangsprodukten für Wettbewerber rechtzeitig bereithalten. Dies hat die Bundesnetzagentur in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss vom 21. November betont. Zugleich verpflichtete sie mit der Netcom Kassel erstmals einen Provider, einen offenen Netzzugang zu unbeschalteten Glasfasern ("Dark Fiber") eines in Teilen öffentlich geförderten Telekommunikationsnetzes in Nordhessen zu gewähren.

Den entsprechenden Antrag auf Open Access stellte das Göttinger Unternehmen Goetel. Es bietet Endkunden Telekommunikationsprodukte wie Breitbandzugänge an. Dabei greift es teils auf das eigene Glasfasernetz zurück, teils aber auch auf Infrastrukturen Dritter, etwa der Netcom Kassel. Dabei handelt es sich um einen regional tätigen Betreiber, der über ein überwiegend flächendeckendes und gemeindeübergreifendes Glasfasernetz in Nordhessen verfügt.

Die gesamte passive physische Netzinfrastruktur mietet die Antragstellerin von der Firma Breitband Nordhessen an, die wiederum die Netcom mit der Errichtung und dem Betrieb der aktiven Netzkomponenten ihrer Dark-Fiber-Leitungen beauftragt hat. In einem unbeschalteten Lichtwellenleiter ist zunächst kein optisches Signal vorhanden. Um Daten darüber übertragen zu können, muss der Partner die benötigten übertragungstechnischen Komponenten erst installieren.

Die Netcom erbringt auf Basis der Netzinfrastruktur, die sie von Breitband Hessen gemietet hat, Telekommunikationsdienstleistungen auf Vorleistungs- und Endkundenebene. Den Verpächter wiederum gründeten fünf nordhessische Landkreise im Februar 2014. Er führt in diesen Regionen auch geförderte Breitbandausbauprojekte durch. Dabei besteht in den Ausbaugebieten eine geografische Überschneidung des Glasfasernetzgebietes mit Goetel.

Die Antragstellerin begründete ihr Ersuchen mit Verweis auf Paragraph 155 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Demnach müssen Betreiber oder Eigentümer öffentlicher Telekommunikationsnetze Wettbewerbern auf Antrag einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu staatlich geförderten Leitungen oder Netzen zu fairen und angemessenen Konditionen gewähren.

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Die Netcom hielt dagegen, sie habe nur eine allgemeine Anfrage auf Basis vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien zur Bereitstellung von Telekommunikationslinien erhalten. Der laufende Ausbau binde in hohem Maße personelle Ressourcen. Man habe sich zu keinem Zeitpunkt geweigert, Goetel ein Angebot zu unterbreiten.

Zudem beteuerte die Antragsgegnerin, nur ein sehr kleiner Teil der Finanzierung der Infrastruktur entfalle auf Zuschüsse, die als tatsächliche Förderung in den Netzen verblieben. Faktisch komme das meiste Geld von der Breitband Nordhessen und ihren Gesellschaftern. Weiter gab die Netcom zu bedenken, dass ihr und dem Netzeigentümer durch das Ersuchen "in signifikantem Ausmaß die Möglichkeiten eigener Einnahmen zur Finanzierung der eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten genommen" sowie der Geschäftsbetrieb in letzter Konsequenz in die Insolvenz getrieben werde. Dies hätte "eine Vernichtung öffentlicher Förderungen zur Folge".

Die Bundesnetzagentur zeigte sich davon unbeeindruckt. Sie führt in dem 63-seitigen Beschluss aus, allen Beteiligten hätte seit Langem klar sein müssen, "dass zu der gefördert errichteten Infrastruktur ein offener Netzzugang zu gewähren ist und es zu einem Wettbewerb um Endkunden kommen kann". Die Pflicht zur Zugangsgewährung sei auch verhältnismäßig. Es sind keine Einschränkungen des Anspruchs "aus übergeordneten Bewertungsmaßstäben ersichtlich".

Bis zum 16. Januar hat die Antragsgegnerin nun Zeit, Goetel einen "tatsächlichen Zugang zu unbeschalteten Glasfaserpaaren" in den umstrittenen Gegenden nebst einem zugehörigen Angebot zu unterbreiten. Andernfalls droht ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro. "Eine öffentliche Förderung von Telekommunikationsinfrastrukturen dient auch dem Wettbewerb und kommt letztlich Verbrauchern zugute", hob Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, hervor.

Gegen den Bescheid kann die Netcom innerhalb eines Monats noch Klage beim Verwaltungsgericht Köln erheben. Die Streckenabschnitte, für die die Open-Access-Auflage gilt, hat die Regulierungsbehörde in der öffentlichen Fassung der Entscheidung in dem Streitbeilegungsverfahren geschwärzt. Goetel hatte vor einem Jahr angekündigt, die hessischen Landkreise Kassel, Hersfeld-Rotenburg, Schwalm-Eder-Kreis, Waldeck-Frankenberg und Werra-Meißner-Kreis innerhalb der nächsten drei Jahre flächendeckend mit Glasfaser bis in die Häuser ausbauen zu wollen. Dabei werde "das bereits vorhandene Netz der Netcom Kassel" als Backbone genutzt, um die unterversorgten Gebiete rasch anzubinden.

Hermann Rodler, Geschäftsführer Technik beim Münchner Provider M-net, brach jüngst eine Lanze für das Open-Access-Modell, bei dem Betreiber Konkurrenten mit auf ihr Netz lassen. Dies sei durchaus ein Geschäft. In München kauften bei M-net drei von vier Mobilfunkern Dark Fiber ein. So komme Verkehr aufs Netz, auch wenn die Margen bei einer Eigenvermarktung größer seien.

(tiw)