Fallbeispiel Griechenland: Wie in Europa um Klimaschutz gekämpft wird

Ein Windpark im Panachaiko, einer Bergkette auf der Peloponnes in Griechenland. Bild: Koliri / CC BY-SA 3.0

Schon jetzt stammt viel Strom in Griechenland aus erneuerbaren Quellen. Doch die Regierung setzt auf Erdgasförderung, missachtet Umweltschutz und würgt die Energiewende von unten ab. Der Fall zeigt auch, woran es beim Klimaschutz in Europa hakt.

Umweltschutzgruppen, Bürger und linke Oppositionsparteien beteiligen sich, wie am Wochenende auf Euböa und Skyros, an Demonstrationen gegen Windkraftanlagen. Sie wenden sich mit Petitionen an die EU, um 50 Windräder in einem Naturschutzgebiet bei Lavrion zu verhindern. Diese werden mit Genehmigung und Förderung der konservativen Regierung im gesamten Land installiert.

Die Regierung präsentiert sich als Garant im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Premier Kyriakos Mitsotakis feiert, dass unter seiner Regierung der Anteil der Solarenergie auf zehn Prozent anstieg.

Mitsotakis ist stolz auf Rekorde im Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energie. Am 7. Oktober konnte das Land mindestens fünf Stunden lang ausschließlich mit erneuerbaren Energien energetisch versorgt werden. Bis zum Ende des Jahres soll die Leistung der auf Nutzung erneuerbarer Energien basierenden Stromerzeugung auf mehr als 10.000 Megawatt ansteigen.

9.300 Megawatt waren es zu Beginn des Jahres. Während seiner Amtszeit, seit 2019, stieg die Leistung der erneuerbaren Energienutzung um 60 Prozent. Anträge für die Installation weiterer 23 Gigawatt aus erneuerbaren Energiequellen liegen bereits vor. Von Januar bis Ende August deckte Griechenland 37,5 Prozent seiner elektrischen Energie allein mit erneuerbaren Energien ab.

Gleichzeitig hat die Regierung internationale Naturschutzorganisationen wie den WWF gegen sich aufgebracht. Sie verlängerte die Abbaulizenzen für heimische Braunkohle. Wie passt das alles zusammen?

Seismische Untersuchungen vor Kreta

In den Hauptnachtrichten des Senders ANT1 stellte sich der griechische Premier Kyriakos einem Interview bei einem seiner Lieblingsjournalisten, dem Verleger-, Radiobesitzer und Hauptnachrichtensprecher Nikos Chatzinikolaou. Es war kurzfristig anberaumt worden, weil seit dem ersten Novemberwochenende bekannt ist, dass auch Minister der Regierung, deren Ehefrauen und Freunde mit der Predator-Spionagesoftware ausspioniert wurden. Der Regierungschef versuchte angesichts des Drucks mit einer Exklusivinformation zu punkten.

Bereits in den nächsten Tagen, so Mitsotakis, würden südlich und südwestlich vor Kreta und der Peloponnes seismische Untersuchungen stattfinden. Exxon Mobil sei bereit dafür. Ab 2025 würde Erdgas gefördert werden, versprach Mitsotakis, "unser Land muss ungeachtet seines Engagements für die schnelle Wende zu erneuerbaren Energien prüfen, ob es derzeit die Möglichkeit hat, Erdgas zu fördern, das nicht nur zu unserer eigenen Energiesicherheit, sondern auch zur Energiesicherheit Europas beitragen wird."

Am selben Tag reiste Mitsotakis zur 27. Weltklimakonferenz nach Scharm El-Scheich in Ägypten, um dort Griechenland als Transitkorridor für die Lieferung von Wasserstoff aus dem Nahen Osten und Afrika nach Europa zu bewerben. Er betonte bei der Klimakonferenz, dass Griechenland "ein führendes Land bei erneuerbaren Energien ist. Ein großer Teil unserer Energie, die Hälfte der heute über 10 Gigawatt installierten Leistung, stammt aus der Photovoltaik, aber auch aus Windenergie und Wasserkraft." Auch in diesem Zusammenhang bewarb er Griechenland.

(W)ir haben unser Klimagesetz verabschiedet und wollen Stromexporteure für den Rest Europas werden.

Er erklärte jedoch auch, dass man investieren werde "in die Erdgasinfrastruktur, um unsere Energiesicherheit zu stärken." Im vergangenen Jahr sah die Regierung ihre Energiesicherheit durch russisches Erdgas gesichert. Griechenland würde 2022 einen Rekord bezüglich der Gasimporte aus Russland erreichen, feierte im Dezember 2021 Gazprom, und die Medien in Griechenland verbreiteten die Meldung kritiklos weiter.

Tatsächlich fährt Mitsotakis zweigleisig. Er verteilt an große einheimische Unternehmen, die seiner Regierung nahestehen, Konzessionen für Windparks und Photovoltaikanlagen und begünstigt gleichzeitig die Förderung fossiler Energiequellen aus der Ägäis.

Das griechische Umweltgesetz ist hinsichtlich der geforderten Verkehrswende eines der strengsten in Europa. Ab 2024 muss ein Viertel des Fahrzeugparks von Unternehmen elektrisch betrieben sein. Nur kleine Betriebe sind von der Vorschrift ausgenommen. Ab 2026 müssen alle neuen Taxis in Athen und Thessaloniki elektrisch betrieben sein. Eine Ausweitung auf weitere Städte ist im Gesetz vorgesehen. Bei der Förderung der E-Mobilität ist der Staat im Vergleich zu Deutschland und in Relation zur Wirtschaftsleistung großzügiger. E-Autos und Hybride werden gefördert.

Vor allem die Inseln sollen energetisch autark werden. Städten und Gemeinden wird per Gesetz vorgeschrieben, wieviel Prozent CO2-Ausstoß jährlich eingespart werden muss.

Nominell beträgt die Maximalförderung für E-Autos von Privatpersonen 6.000 Euro. Wird darüber hinaus noch ein Verbrenner aus dem Verkehr gezogen, kommen noch einmal 1.000 Euro dazu. Weitere 1.000 Euro gibt es für Familien mit drei Kindern oder für körperlich Behinderte. Taxifahrer erhalten 10.500 Euro Förderung und, wenn sie drei Kinder haben, noch einmal 1.000 Euro extra.

Für elektrische Motorräder oder Trikes gibt es bis zu 800 Euro Grundförderung. Die Verschrottung eines Verbrenners beschert hier weitere 500 Euro. Radfahrer erhalten für ein Elektrofahrrad ebenfalls 800 Euro Förderung und können sie um weitere 500 Euro erhöhen, wenn ein Zweirad mit Verbrennermotor aus dem Verkehr gezogen wird. Mit einem fiskalischen Ergänzungsgesetz wurde geregelt, dass auch privat genutzte elektrische Dienstfahrzeuge beim Arbeitgeber aufgeladen werden können und dies nicht als Einkommen des Arbeitnehmers versteuert werden muss.

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