Kommunen und Wirtschaft warnen vor drastischem Einbruch beim sozialen Wohnungsbau

Bild: Alfred Derks auf Pixabay

Fast drei Viertel aller geplanten Projekte stehen vor dem Aus. Gründe sind steigende Zinsen, Inflation und Energiepreise. Welche Vorschläge die Bauwirtschaft hat.

Günstiger Wohnraum wird auf absehbare Zeit in deutschen Städten nicht zu haben sein. In den nächsten Jahren dürften deutlich weniger günstige Miet- und Sozialwohnungen gebaut werden, befürchten sowohl Kommunen als auch die Wohnungswirtschaft.

Etwa 70 Prozent der geplanten Projekte können voraussichtlich wegen steigender Zinsen und Baukosten nicht umgesetzt werden, berichtete die Augsburger Allgemeine am Montag.

Zahlreiche Neubauprojekte im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau würden auf Eis gelegt oder gar nicht erst begonnen, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem Blatt. Knapper werdender Wohnraum in Ballungszentren und steigende Mieten scheinen damit vorprogrammiert zu sein.

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) erwartet dem Bericht zufolge ebenso, dass Zehntausende neuer Wohnungen nicht gebaut werden, wie es vorgesehen war. Interne Umfragen des Verbandes haben demnach ein düsteres Bild ergeben: Etwa 70 Prozent aller geplanten Objekte werden entweder komplett abgesagt oder für längere Zeit zurückgestellt. Dies sei ein "brutaler Stopp, aber mit Ansage", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko der Augsburger Allgemeinen.

Ablesen lässt sich die Entwicklung bereits an den Aufträgen, die dem Bauhauptgewerbe erteilt werden. Preisbereinigt ging ihre Zahl von August bis September um 3,6 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorjahresmonat September 2021 ist das ein Rückgang von 22,6 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit.

In den ersten neun Monaten des Jahres sanken die Auftragseingänge laut Statistischem Bundesamt gegenüber dem Vorjahreszeitraum kalender- und preisbereinigt um 7,3 Prozent. Die realen Umsätze gingen in dem Zeitraum um 4,7 Prozent zurück.

"An den einbrechenden Zahlen bei den Aufträgen und Baugenehmigungen sehen wir, wie die toxische Mischung aus Energiepreisen, Inflation und Zinskosten die Bauherren zunehmend verunsichert", warnte am Freitag Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), anlässlich der Bauministerkonferenz.

Es passe nicht zusammen, erklärte er, mehr Wohnungen bauen zu wollen, aber gleichzeitig die Förderung zu kürzen und die Bedingungen zu verschärfen. Durch den Förderstandard EH40 hätten sich die Baukosten für ein Einfamilienhaus um rund 30.000 Euro erhöht. Und standen in den vergangenen Jahren noch rund zehn Milliarden Euro für Kredite und Tilgungszuschüsse für Bauherren zur Verfügung, so sind ab dem kommenden Jahr nur noch rund eine Milliarde Euro eingeplant.

Damit die Baukonjunktur nicht einbricht und eine "Abwärtsspirale zulasten von bezahlbarem Wohnungsbau und Klimaschutz" vermieden werden kann, fordern die Verbände der Bauindustrie und des Handwerks attraktivere Rahmenbedingungen.

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie erklärte am Freitag: "Unsere Befürchtung hat sich bestätigt, dass die öffentliche Hand ihre Bauinvestitionen nicht der Preisentwicklung anpassen wird". Dadurch falle das Investitionsniveau. Um dem entgegenzuwirken, sei es erforderlich, "die Neubauförderung massiv aufzustocken und degressive Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren ab dem neuen Jahr einzuführen". Das sei allein dafür notwendig, um die Mehrkosten steigender gesetzlicher Standards zu finanzieren.

"Wir stehen hinter den Klimaschutzzielen", betonte nun auch Gedaschko noch einmal. Aber Klimaschutz müsse sinnvoll umgesetzt werden und am Ende auch für die Mieter bezahlbar sein. Vor dem Hintergrund der aktuellen Politik sei das Ziel der Bundesregierung nur Makulatur. Geplant ist, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen.

Notwendig sei, so Gedaschko, dass SPD, Grüne und FDP mindestens die fünffache Summe bereitstellen, um bezahlbares Wohnen zu finanzieren. Denn: "Marktmieten von künftig 16 bis 18 Euro netto kalt pro Quadratmeter sind für die breite Mittelschicht schlicht unbezahlbar".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.