Analyse: Beirat und Monitoring sollen Digitalstrategie Beine machen

Digitalminister Volker Wissing hofft auf messbare Fortschritte und sucht Unterstützung durch Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

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(Bild: Peshkova / shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner

Die Rolle als Motivator der Digitalisierung ist Volker Wissing nicht in die Wiege gelegt. Aber genau die will der Bundesdigitalminister aus der FDP eigentlich erreichen: Die Bürger wollten nicht mehr hören, warum bestimmte Ziele nicht erreicht wurden, das sei lange und oft genug erklärt worden, sagt der Minister am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Berlin zur Digitalstrategie Deutschland, die seit Ende August vorliegt.

Damit drückt Wissing aus, was offenbar viele Deutsche meinen: Laut einer vom IT-Branchenverband Bitkom in Auftrag gegebenen Umfrage ist 59 Prozent der Deutschen das Tempo der Digitalisierung im Land zu gering. Wissing will nach einem Jahr im Amt endlich etwas schaffen: "Wir haben viel vor, wir meinen es ernst."

Wie weit die Ressorts in den verbleibenden drei Ampel-Regierungsjahren jeweils mit der Digitalisierung kommen, soll künftig nachvollziehbar werden. Denn quantitative Messbarkeit ist ein erklärtes Ziel der Strategie. Im ersten Quartal 2023 soll eine Datenbank mit den verschiedenen Items der Strategie aufgesetzt sein, in der die jeweils zuständigen in den Ministerien Aufgabe, Stand und Ansprechpartner hinterlegen sollen.

Ein Schönheitsfehler: Zu viel Transparenz will die Bundesregierung dann doch nicht walten lassen - diese Informationen sollen intern genutzt werden, um nachzusteuern. Eine "agile interministerielle Arbeitsgruppe" – so nennt das BDMV die Runde auf Arbeitsebene der Ministerien – soll Fehler frühzeitig erkennen und gegenseitig Hilfestellung zur Abhilfe leisten. "Falls Anpassungen bei der Strategie erforderlich sind, wird eine Staatssekretärsrunde auf Basis des Monitorings entscheiden", kündigte Wissing an.

Nachsteuern, das wird naturgemäß immer wieder nötig werden – und soll auch durch die Mithilfe eines neuen Beirats gelingen: 19 Vertreter aus Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft sollen der Digitalstrategie beratend zur Seite stehen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Perspektiven, betont die zur Ko-Vorsitzenden gewählte Louisa Specht-Riemenschneider, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Bonn: "Was uns sicherlich alle eint, ist, den Prozess kritisch, aber auch konstruktiv zu begleiten." Der Beirat wolle unbequem und sichtbar sein und Mahnen, wo es zu langsam vorangehe. Dass die Bundesregierung entsprechende Gremien eingerichtet habe, sieht sie als Voraussetzung für das Erreichen weiterer Ziele an: Ein guter Austausch sei Voraussetzung dafür, ins Tun zu kommen.

Wissings Ziel, die Top 10 in Europa zu erreichen, sei richtig, sagt der zweite Ko-Vorsitzende des Beirats Digitalstrategie Deutschland Thomas Koenen, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Es gehe aber nicht um einen Rangplatz, stellt Koenen klar. Deutschland hinke in der Digitalisierung hinterher. Die vergangenen Jahre hätten nicht den Durchbruch gebracht, wie etwa die bislang nicht gelungene Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zeige. Dennoch schaue er positiv auf die Digitalpolitik der kommenden Jahre: Es bestehe auf allen Ebenen das klare Bewusstsein, dass es so nicht weitergehen könne. Der Beirat soll sowohl für die Ressorts als Ansprechpartner zur Verfügung stehen wie auch mit eigenen Initiativen Impulse setzen, betonte Wissing. Alle 6 Monate soll zudem öffentlich erörtert werden, wie weit die Bundesregierung auf ihrem Weg gekommen ist.

Die von Wissings Ressort federführend erarbeitete Digitalstrategie soll, wie bereits in dieser vorgesehen, in der Umsetzung einem sogenannten Wirkungsmonitoring unterliegen: Was bringen die jeweiligen Maßnahmen den Bürgern, Wirtschaft und Gesellschaft? Federführend dafür zuständig wird die Agora Digitale Transformation sein – ein von der Mercator-Stiftung vorangetriebener neuer Think Tank, der vom früheren Leiter der Stiftung Neue Verantwortung Stefan Heumann derzeit aufgebaut wird.

Dass die Digitalstrategie allerdings nur ein Baustein einer erfolgreichen Digitalpolitik ist, deutete Wissing selbst auf offener Bühne in der Auftaktveranstaltung an. Vor allem eines stört Wissing offenbar: "Wir müssen aus der Larmoyanz raus, dass überall woanders alles besser ist. Das motiviert zu nichts." Doch Motivation und Fortschritt gehen Hand in Hand: Fast ein Jahr nach Beginn der Regierungszeit der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund sind die Fortschritte noch überschaubar.

Wissing selbst legt die Messlatte mit Blick auf das, was kommen müsste, heute noch etwas höher: Auf kommende Knappheiten sei Deutschland nicht gut eingerichtet – ob bei Fachkräften, Energie oder Rohstoffen. "Im Analogen kommen wir an ganz offensichtliche Grenzen. Im Digitalen kann man eine Menge machen", gibt sich der FDP-Politiker zuversichtlich. Vor allem mittels Daten und digitaler Steuerung könne etwa dafür gesorgt werden, dass knappe Ressourcen an die richtigen Stellen gelangten. In der Digitalstrategie der Bundesregierung findet sich zu derartigem Ressourcenmanagement zumindest bislang kein Projekt.

(anw)